Buchtipp: Der Erinnerungsfälscher

Abbas Khider, Träger des Evangelischen Buchpreises. erzählt die Geschichte eines irakischen Geflüchteten, der unter Gedächtnisstörungen leidet.

Ein Ausschnitt aus dem Buchcover
Ein Ausschnitt aus dem BuchcoverHanser-Verlag

Der irakische Autor Abbas Khider, 1973 in Bagdad geboren und seit dem Jahr 2000 in Deutschland lebend, erzählt in seinem neuen Roman die Lebensgeschichte eines etwa gleichaltrigen Mannes. Said Al-Wahid ist wie er aus dem Irak geflohen und hat in Deutschland Zuflucht gefunden.

Der Titel „Erinnerungsfälscher“ bezieht sich darauf, dass der Pro­tagonist unter einer schweren Gedächtnisstörung leidet. Diese hat zur Folge, dass für ihn das Erinnern
eine Last, eine harte innere Arbeit bedeutet.

Vater hingerichtet

Es gibt auch kaum glückliche Ereignisse, derer Said sich gern erinnern könnte: Als er acht Jahre alt war, wurde sein Vater, über den man nicht reden durfte, als Verräter hingerichtet. Seine jüngere Schwester kam mit ihrer ganzen Familie bei einer Bombenexplosion ums Leben. Da lebte er schon nicht mehr im Irak und konnte nicht zur Beerdigung fahren.

Aber auch im vermeintlichtoleranten Deutschland ist Said weiter Demütigungen, der Willkür von Behörden und unerklär­lichen Verdächtigungen ausgesetzt.

Der Roman spielt innerhalb weniger Tage: Said erfährt auf der Rückfahrt von Mainz nach Berlin, dass seine Mutter im Sterben liegt. Sein Bruder aus Bagdad fordert ihn auf, sofort zu kommen. Ohne noch einmal nach Hause zu fahren, bucht Said noch im ICE einen Flug in den Irak. Doch er kommt zu spät. Seine Mutter stirbt wenige Stunden, bevor er in Bagdad eintrifft.

Trügerische Erinnerungen

Der Tod der Mutter und die Reise in den Irak, wo er jahrelang nicht mehr gewesen war, lösen Erinnerungen aus. In Deutschland hat er seinen Traum verwirklicht und ist Schriftsteller geworden. Er hat eine Frau und einen zweijährigen Sohn, er spricht fließend Deutsch. Doch sind diese Erinnerungen wahr oder sind sie Fiktion? Wahrheit oder Dichtung? Einzig das Gefühl der Unsicherheit bleibt ein konstantes Gefühl für Said.

Khiders Sprache ist kraftvoll und klar. Seine bittere Geschichte ist nicht ohne Selbstironie und Humor und vor allem nicht ohne Zuversicht. Dass er dafür den Evangelischen Buchpreis bekommt, ist eine richtige Entscheidung.

Abbas Khider, Der Erinnerungsfälscher, Hanser-Verlag, München 2022, 125 Seiten, 19 Euro