Buch zur EM – Mit Rainer Maria Schießler „Im Fußball-Himmel“

Den „Kaiser“ hat Pfarrer Rainer Maria Schießler beerdigt, Philipp Lahm und seine Claudia getraut, den Sohn von Mats und Cathy Hummels getauft. Was der Löwen-Fan über die Faszination Fußball denkt.

Am 14. Juni ist es so weit: Um 21 Uhr wird in der Münchner Allianz-Arena mit der Partie Deutschland gegen Schottland die Fußball-Europameisterschaft 2024 eröffnet. Ob es in den kommenden vier Wochen eine Wiederholung des Sommermärchens von 2006 geben wird, sowohl mit Blick auf den sportlichen Erfolg als auch auf die Stimmung im Land? „Wie gut könnten wir gerade positive Meldungen und mitreißende Ereignisse gebrauchen“, schreibt der Münchner Pfarrer Rainer Maria Schießler im Vorwort seines neuen, im Verlag „bene!“ erschienen Büchleins „Im Fußball-Himmel!“. Aber beides sei nun mal nicht machbar, es ereigne sich, oder eben auch nicht.

Doch das ist kein Grund zum Trübsalblasen. Fußball sei ein Phänomen, das es verdiene, von mehreren Seiten beleuchtet zu werden, findet der Priester. Schon als kleiner Junge, als er erstmals ein Spiel des Fußballvereins TSV 1860 München im Grünwalder Stadion besucht habe, sei er fürs ganze Leben „infiziert“ worden. Seine schönsten Geschichten vom heiligen Rasen hat der 63-Jährige auf 170 Seiten zusammengetragen. Den Lesern und Leserinnen präsentiert er auf heitere Art Anekdoten um das runde Leder und lässt sie teilhaben an Erkenntnissen, die er über dieses Spiel gewonnen hat.

Die Ähnlichkeiten von Fußball-Ereignissen und Glaubensfesten seien bemerkenswert: Das fange an mit der besonderen Kleidung und den bewegenden Gesängen, die bisweilen in festliche Hymnen übergehen. Dazu komme eine kraftvolle Sprache. Schießlers Lieblingsspruch lautet: „Leere Kirchen kann man nicht für voll nehmen.“ Diesen könne man durchaus auch auf leere Fußballstadien übertragen. Voll seien beide nur, wenn Fans oder Gottesdienstbesucher Einsatz und Hingabe spürten. Die Menschen wollten Leidenschaft erleben, und die Atmosphäre müsse gut sein.

Den Kapiteln stellt Schießler stets ein Bibelwort voran wie Psalm 17,11: „Wohin ich auch gehe, überall umringen sie mich. Sie warten nur darauf, mich zu Fall zu bringen.“ Das mag an das Schicksal eines Stürmers erinnern, wenn er sich vor dem Tor der gegnerischen Elf durchsetzen muss. Doch wer wie der Priester in Jugendzeiten sportlich, aber keine Sportskanone gewesen ist, dürfte gut jene deprimierenden Momente im Kopf haben, als Mitschüler bestimmten, wer von Anfang an zum Team dazugehören sollte.

„Meine grundsätzliche Liebe zum Fußball konnten letztendlich auch die schlimmen Erlebnisse nicht zerstören“, notiert der Geistliche. Damals sei bei ihm aber die Grundlage für etwas gelegt worden, was bis heute sein Leben und seinen Beruf bestimme: „Es ist mir wichtig, Menschen nicht zu beurteilen und über sie zu richten. Stattdessen will ich ihnen dienend zur Seite stehen, als ein ‚Helfer zum Leben‘.“

Als vor der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland Freiwillige gesucht wurden, wollte sich Schießler die Chance, mit dem Weltfußball auf Tuchfühlung zu gehen, nicht entgehen lassen. Als Besitzer eines gültigen Taxiführerscheins für München meldete er sich für den Bereich Transport und Verkehr. So durfte er am Eröffnungstag eine der Limousinen der Funktionäre im Autokorso vom Bayerischen Hof zum Stadion nach Fröttmaning chauffieren.

„Mit Tempo 80 durch München zu sausen, am Ende mit Karacho in die Tiefgarage der Arena hineinzupreschen – das kommt mir irgendwie unrealistisch vor, eher so, als wäre ich beim Dreh für einen Hollywood-Actionfilm dabei“, erinnert er sich. Danach auch noch von einem Stehplatz aus mit guter Sicht die Eröffnungsfeier und den 4:2-Sieg der deutschen Mannschaft über Costa Rica mitzuerleben, lässt ihn noch heute „Vergelt’s Gott“ dafür sagen.

Schießler begeistert sich für Fußball. Doch wenn ein Fan auf der Jacke den Aufnäher „Der TSV 1860 München ist eine Religion“ trägt, wird es auch ihm zu viel: „Denn ein Fußballverein, meine Leidenschaft für den Sport, das kann niemals meine Religion sein!“ Und da wäre die Frage, ob man etwa für den Aufstieg eines Vereins beten dürfe. „Natürlich“, sagt der Pfarrer, aber helfen werde es nichts. Beten empfiehlt der Geistliche trotzdem: „Das Gebet ändert nicht die Welt um mich herum und schießt auch keine Tore. Aber es macht aus mir einen anderen Menschen, a bisserl besonnener, friedlicher und gelassener!“