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Buber-Rosenzweig-Medaille für Meron Mendel und Saba-Nur Cheema

Sie wollen Brücken bauen und mit Menschen auch außerhalb von “Blasen” sprechen. Für seinen Einsatz bekommt das jüdisch-muslimische Ehepaar Meron Mendel und Saba-Nur Cheema am Sonntag die Buber-Rosenzweig-Medaille.

Sie sind Menschen des Dialogs: “Bisher war noch kein Gespräch überflüssig”, sagt Meron Mendel der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). “Wir wollen Echokammern durchbrechen und gehen auf Leute zu, um mit ihnen zu reden.” Mendel und seine Ehefrau Saba-Nur Cheema erhalten an diesem Sonntag in Hamburg die Buber-Rosenzweig-Medaille. Der Preis wird für Verdienste um Verständigung vergeben.

Die muslimische Politologin und der jüdische Historiker aus Frankfurt am Main engagieren sich öffentlich für Demokratie und Menschenrechte, wie es zur Begründung heißt. Die Kolumne “Muslimisch-jüdisches Abendbrot” des Paares für die “Frankfurter Allgemeinen Zeitung” ist mittlerweile auch als Buch erschienen.

Die jüdischen Philosophen Martin Buber (1878-1965) und Franz Rosenzweig (1886-1929) als Namensgeber der Medaille seien für ihn wichtig, sagt Mendel. Insbesondere Buber habe einen großen Einfluss auf ihn selbst und sein Denken gehabt.

Cheema sagt: “Für mich ist es etwas ganz Besonderes, als erste muslimische Frau die Auszeichnung des Deutschen Koordinierungsrats der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit zu erhalten.” Denn hierzulande werde über Muslime zu oft nur in einem negativen Zusammenhang wie Migrationskrise und Gewalt gesprochen.

Am 7. Oktober 2023 überfiel die Terrororganisation Hamas Israel. In der Folge kam es zum Gazakrieg, in dem derzeit ein Waffenstillstand herrscht. Seit dem 7. Oktober habe sich die Beziehung zwischen Jüdinnen und Juden und anderen gesellschaftlichen Gruppen geändert, bemerkt Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank: “Wir sehen Ängste und Anfeindungen in der jüdischen Community.” Das zeige, wie notwendig es sei, am Dialog zu arbeiten und Brücken zu bauen.

“Manchmal wackeln diese Brücken noch, aber jede Brücke, die geschlagen wird, und das versuchen meine Frau und ich, ist notwendig”, sagt Mendel. Manchmal bewege man sich in Gesprächen aufeinander zu, manchmal gebe es Barrieren: “Es geht insgesamt darum, einen Perspektivwechsel zu ermöglichen, um festzustellen, dass der Andere nicht mein Feind ist.”

Auch Cheema stellt große Veränderungen seit dem 7. Oktober fest – und kommt zu dem Schluss, dass es um den muslimisch-jüdischen Dialog schlecht stehe. “Es sind Bemühungen um Differenziertheit verschwunden, man nimmt kein Blatt mehr vor den Mund.” Interreligiöse Arbeit habe mittlerweile eine andere Verantwortung. Im Vordergrund müssten noch stärker Gespräch, Verbindung und Versöhnung stehen.

Das Ehepaar findet es wichtig, Konflikte in einer Gesellschaft auszutragen – über den öffentlichen Austausch. “Grundsätzlich gehören Konflikte in Gesellschaften dazu und können die öffentliche Debatte weiterbringen”, sagt Mendel.

Ganz geräuschlos ging es auch im Vorfeld der Verleihung der Medaille nicht zu: Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hatte 2024 die Auszeichnung für Mendel kritisiert, allerdings nicht verlangt, sie zurückzunehmen. Kritik an Cheema äußerte er nicht.

Er führte in einem Brief “umstrittene und zum Teil untragbare Positionierungen” von Mendel an. Dieser lege in seinen Äußerungen “in erster Linie seine persönliche Meinung” dar. Mendel nehme eine “Sprecherposition ein, die als eine vermeintlich repräsentative jüdische Position weitertradiert wird”, seine Ansichten seien in der jüdischen Gemeinschaft aber “nicht mehrheitsfähig”.

Schusters Brief war an die Mitglieder des Präsidiums des Deutschen Koordinierungsrates sowie an dessen Generalsekretär gerichtet. Schuster gehört dem Kuratorium des Koordinierungsrats an. Über die Preisvergabe entscheidet dessen Vorstand. Im Sommer hatte es dann ein Gespräch zwischen Mendel und Schuster gegeben, das danach von beiden Seiten als konstruktiv und vertraulich bezeichnet wurde.

“Es wäre absurd, wenn wir in der jüdischen Community einer Meinung wären, das sind zum Beispiel Christen auch nicht”, sagt der gebürtige Israeli Mendel. “Ich repräsentiere nur mich selbst und habe die Freiheit, Minderheitenpositionen zu vertreten.” Jüdinnen und Juden in Deutschland hätten den Impuls, Kontroversen nicht nach außen zu tragen. Aber gerade durch Heterogenität entziehe man verallgemeinernden antisemitischen Vorurteilen den Boden.

Auch Buber und Rosenzweig hätten Streit nicht gescheut und Denkanstöße gegeben, so Mendel. “Das war kein Zeichen von Schwäche, das war die goldene Zeit des jüdischen Lebens in Deutschland.”