BSW kritisiert deutsches Gedenken an Völkermord in Namibia
Mit äußerster Brutalität schlugen deutsche Kolonialtruppen den Aufstand der Herero im heutigen Namibia nieder. Am Mittwoch jährt sich ein verheerender Schießbefehl. Berlin verzichtet auf größere Gedenkveranstaltungen.
Zum 120. Jahrestag des sogenannten “Schießbefehls” von Generalleutnant Lothar von Trotha am Mittwoch soll der deutsche Botschafter in Namibia einen Kranz am Genoziddenkmal in Windhuk im Gedenken an die Opfer des Völkermords niederlegen. Das teilte das Auswärtige Amt in Berlin auf eine Anfrage der parlamentarischen Gruppe des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) mit. Das BSW kritisierte am Freitag in Berlin, diese Form des Gedenkens an die deutschen Kolonialverbrechen sei bei weitem nicht ausreichend.
Am 2. Oktober 1904 hatte der Schutztruppenchef Lothar von Trotha in der damaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika mit einem “Vernichtungsbefehl” auf den Aufstand der Herero und Nama reagiert: “Innerhalb der deutschen Grenze wird jeder Herero mit oder ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen. Ich nehme keine Weiber und Kinder mehr auf, treibe sie zu ihrem Volk zurück oder lasse auf sie schießen.” Zehntausende Menschen kamen in der Folge ums Leben. In einer 2021 paraphierten Gemeinsamen Erklärung hatten sich Deutschland und Namibia darauf verständigt, die Kämpfe gegen die Herero und Nama “aus heutiger Perspektive” als Völkermord zu bezeichnen.
Das Auswärtige Amt verwies zugleich darauf, dass Namibias Regierung beschlossen habe, künftig den 28. Mai zum zentralen nationalen Gedenktag für den Völkermord zu erklären. “Diese Entscheidung gilt es aus Sicht der Bundesregierung zu respektieren.” Das Deutsche Reich war zwischen 1884 und 1915 Kolonialmacht im heutigen Namibia.
Die BSW-Obfrau im Auswärtigen Ausschuss, Sevim Dagdelen, sagte der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) dazu am Freitag: “Das stiefmütterliche Gedenken der Bundesregierung ist ein diplomatischer Fehltritt im Umgang mit den deutschen Kolonialverbrechen in Namibia. So kann es den notwendigen Neustart in den Beziehungen zu den Staaten Afrikas nicht geben.”
Für Streit sorgt der Umgang mit der deutschen Kolonialgeschichte auch bei der geplanten Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Namibia bei der Produktion von Grünem Wasserstoff. Auf Anfrage des BSW erklärte das Auswärtige Amt, die Bundesregierung habe Kenntnis davon, dass auf der Halbinsel Shark Island während der deutschen Kolonialherrschaft ein deutsches Konzentrationslager gestanden habe. Namibia plane für die Wasserstoffproduktion allerdings den Ausbau eines Hafens auf einer anderen Halbinsel, die mehrere Kilometer entfernt von Shark Island liege. “Der Bundesregierung liegen keine Kenntnisse vor, wonach Shark Island hiervon unmittelbar betroffen wäre.” Planung und Genehmigung des Projekts lägen darüber hinaus in der Zuständigkeit der namibischen Regierung.