Braunschweiger Kirche rüstet sich für Marathon

Die braunschweigische Landeskirche will sich fit machen für die Zukunft. Die Corona-Krise sorgt offenbar für zusätzlichen Schub. Die Synodalen fordern, Kirche noch einmal neu zu denken.

Der Braunschweiger Landesbischof Christoph Meyns, Sprecher des EKD-Beauftragtenrats
Der Braunschweiger Landesbischof Christoph Meyns, Sprecher des EKD-BeauftragtenratsSusanne Hübner / epd

Wolfenbüttel. Angesichts rückläufiger Kirchenmitgliederzahlen hat das Kirchenparlament der braunschweigischen Landeskirche über Zukunftsperspektiven beraten. Bis 2030 rechne die Landeskirche mit einem Mitgliederrückgang von bis zu 25 Prozent, sagte Bischof Christoph Meyns vor der Landessynode in Wolfenbüttel. Vor diesem Hintergrund sei eine inhaltliche Neuausrichtung der kirchlichen Arbeit notwendig.

Es gehe darum, die Faktoren der Stabilität und der Vitalität des kirchlichen Leben zu erkunden, sagte Meyns. „Bei allem was wir tun, müssen wir den Marathonlauf und nicht den Sprint im Blick haben.“ Der Synodale Henning Böger sagte, es müsse auch über den Gemeindebegriff und die Erwartungen an die kirchlichen Berufsgruppen diskutiert werden. Der Synodale Kay Florysiak forderte, auch etablierte Strukturen zu hinterfragen. Die Beratungen sollen auf der kommenden Synode weitergeführt werden.

Digitaler Schub

Anders als befürchtet, reißt die Corona-Pandemie kein allzu großes Loch in den landeskirchlichen Haushalt. Die Kirchensteuereinnahmen seien zwar im zweiten Quartal 2020 spürbar zurückgegangen. Durch die sehr guten Einnahmen im ersten Quartal könne der Rückgang aber aufgefangen werden. Für die zweite Jahreshälfte erwarte er einen relativ soliden Verlauf, sagte Oberlandeskirchenrat Jörg Mayer. Deshalb sehe er keine strukturellen Eingriffe wie Haushaltssperren oder einen Einstellungsstopp auf die Landeskirche zukommen.

Rawf8 / Fotolia

Die Corona-Pandemie hat nach Auffassung des braunschweigischen Kirchensprechers Michael Strauß bei der Kirche einen digitalen Schub ausgelöst. Nach dem anfänglichen Schock darüber, dass persönliche Begegnungen eingeschränkt oder ausgesetzt wurden, hätten die Akteure der Landeskirche verstärkt begonnen, mit den digitalen Medien zu experimentieren. Viele hätten das Potenzial der Videoplattform Youtube entdeckt. Das Portal „Digitale Kirche“ auf der landeskirchlichen Homepage sei ein gelungenes Beispiel für eine vernetzte Kirche, sagte Strauß.

Zukünftig soll die mediale Kommunikation dem Sprecher zufolge weiterentwickelt und ausgebaut werden. Um in der Fläche der Landeskirche besser aufgestellt zu sein, sollen zwei Stellen für Medienkommunikation geschaffen werden.

Schwächen offenbart

Nach Ansicht der synodalen Ausschussvorsitzenden hat die Corona-Pandemie auch Schwächen in der Landeskirche sichtbar werden lassen. Gerade zu Beginn der Corona-Pandemie hätten Kirchenmitglieder und Mitarbeiter das Gefühl gehabt, auf sich alleine gestellt zu sein, sagte der Finanzauschussvorsitzende Sebastian Ebel. In einem gemeinsamen Antrag, der mehrheitlich angenommen wurde, hinterfragen die Vorsitzenden unter anderem die Rolle der kirchenleitenden Personen und die Entscheidung, alle Kirchen für die Öffentlichkeit zu schließen.

Pfarrer und Kirchenmitarbeiter sollten für digitale Medien fort- und ausgebildet werden und die technische Ausstattung verbessert werden, hieß es in dem Antrag weiter. In Notsituationen sollten besonders wichtige Arbeitsbereiche wie Kindertagestätten, Krankenhaus- und Telefonseelsorge unterstützt und personell ausreichend ausgestattet werden.

Bis ins Mark getroffen

Landesbischof Christoph Meyns betonte, die entstandenen Einschränkungen träfen die Kirche bis ins Mark. „Keine Seelsorge von Angesicht zu Angesicht, keine Gottesdienste zu Weihnachten – das ist ein erheblicher Funktionsverlust, der uns trifft. Alle, die mit persönlichen Beziehungen arbeiten, leiden sehr.“ Die Synoden-Vizepräsidentin Martina Helmer-Pham Xuan plädierte dafür, kreative Lösungen in der Corona-Krise zu finden. „Ich wünsche mir, dass wir uns nicht nur beklagen, sondern die Zukunft aktiv und zuversichtlich gestalten.“

Intensiv diskutierte die Synode über die Pläne der Landeskirche, den Gebäudebestand in den kommenden Jahren auf den Prüfstand zu stellen, stimmte letztlich aber den Plänen der Landeskirche zu. Sie will diejenigen Gemeinden beraten, die über dem Verkauf von Gebäuden nachdenken, weil sie mit der Finanzierung überfordert sind.

Die Evangelisch-lutherische Landeskirche in Braunschweig zählt mit rund 320.000 Mitgliedern in 304 Gemeinden zu den kleineren der insgesamt 20 evangelischen Landeskirchen in Deutschland. Ihr Gebiet erstreckt sich von Wolfsburg bis an den Südrand des Harzes. (epd)