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Brandenburgs erster Antisemitismusbeauftrager: Vorurteile sind tief verankert

Andreas Büttner ist der erste Antisemitismusbeauftragte im Land Brandenburg. Im Interview spricht er über seine Aufgaben, den interkulturellen Dialog und den Holocaust-Gedenktag am 27. Januar.

Der Holocaust-Überlebende Peter Kenedi sitzt auf einer Couch in seinem Wohnzimmer in Frankfurt am Main. In den Händen hält er einen ungarischen Schutzpass  des Roten Kreuzes, darauf ein Foto, das ihn im Alter von sechs Jahren zusammen mit seiner Mutter Susanna zeigt. Peter Kenedi überlebte als Kind das Ghetto Budapest
Der Holocaust-Überlebende Peter Kenedi sitzt auf einer Couch in seinem Wohnzimmer in Frankfurt am Main. In den Händen hält er einen ungarischen Schutzpass des Roten Kreuzes, darauf ein Foto, das ihn im Alter von sechs Jahren zusammen mit seiner Mutter Susanna zeigt. Peter Kenedi überlebte als Kind das Ghetto Budapestepd-bild / Sven Moschitz

Der Holocaust-Gedenktag am 27. Januar erinnert an die unvorstellbaren Verbrechen der NS-Zeit. Welche Bedeutung hat dieser Tag aus Ihrer Sicht heute, Herr Büttner?
Andreas Büttner:
 Der Holocaust-Gedenktag ist eine Mahnung an die dunkelsten Kapitel unserer Geschichte und ein Aufruf, Verantwortung für die Gegenwart und Zukunft zu übernehmen. Gerade heute, wo antisemitische Vorfälle alarmierend zunehmen, zeigt sich die Relevanz dieses Tages. Er erinnert uns daran, dass Demokratie, Menschenrechte und die Achtung vor dem Leben keine Selbstverständlichkeit sind. Die Erinnerung ist nicht nur Pflicht, sondern auch Schutzschild gegen das Vergessen, das zu Gleichgültigkeit führen könnte.

Sie sind der erste Antisemitismusbeauftragte im Land Brandenburg. Warum wurde diese Stelle erst jetzt eingerichtet?
Die Einrichtung der Stelle ist ein wichtiger Schritt, der jedoch lange überfällig war. Die wachsende Zahl antisemitischer Vorfälle und die zunehmende gesellschaftliche Polarisierung haben gezeigt, dass wir strukturelle Maßnahmen brauchen, um jüdisches Leben in Brandenburg zu schützen und zu fördern. Das Amt des Antisemitismusbeauftragten ist eine klare politische Botschaft: Antisemitismus hat keinen Platz in unserer Gesellschaft. Es unterstreicht den Willen des Landes Brandenburg, sich aktiv für jüdisches Leben einzusetzen und auf die Herausforderungen unserer Zeit zu reagieren. Aus diesem Grund wurde in der Verfassung des Landes Brandenburg die Bekämpfung des Antisemitismus und der Schutz jüdischen Lebens auch als Staatsziel aufgenommen.

Welche Herausforderungen begegnen Ihnen aktuell in Brandenburg besonders häufig?
Eine der größten Herausforderungen ist die Vielschichtigkeit des Antisemitismus. Er zeigt sich rechtsextrem, islamistisch, linksextrem, aber auch in der Mitte der Gesellschaft. Besonders besorgniserregend ist der Hass im Netz, der oft in reale Gewalt mündet. Hinzu kommt der unbewusste Antisemitismus, etwa in Form von Stereotypen oder Vorurteilen, die tief in der Gesellschaft verankert sind.

Wo müssen Akzente gesetzt werden, um auf diesen Hass und die Vorurteile zu reagieren?
Um dem zu begegnen, setzen wir auf Prävention durch Bildung, die Förderung des Dialogs und die Unterstützung von Betroffenen. Ein weiterer Fokus liegt auf der Zusammenarbeit mit Strafverfolgungsbehörden, um Täter konsequent zur Verantwortung zu ziehen.

Welche Maßnahmen werden bereits umgesetzt, um antisemitische Vorfälle zu bekämpfen?
Bereits jetzt gibt es ein Handlungskonzept gegen Antisemitismus, das unter anderem Präventionsprojekte in Schulen, interreligiöse Dialogforen und Bildungsprogramme umfasst. Besonders wichtig ist mir die Unterstützung jüdischer Gemeinden und der Schutz jüdischer Einrichtungen.

Andreas Büttner, der Antisemitismusbeauftragte des Landes Brandenburg, ist Mitglied in der Deutsch-Israelischen Gesellschaft
Andreas Büttner, der Antisemitismusbeauftragte des Landes Brandenburg, ist Mitglied in der Deutsch-Israelischen Gesellschaftprivat

Welche konkreten Pläne haben Sie für die Zukunft?
Für die Zukunft plane ich, ein Netzwerk kommunaler Bündnisse gegen Antisemitismus zu etablieren, das bereits Zusagen aus vielen Kommunen erhalten hat. Auch ein Schülerwettbewerb zu „80 Jahre Befreiung vom Nationalsozialismus“ und die Einführung regelmäßiger Diskussionsräume zum Thema Antisemitismus sind in Vorbereitung. Außerdem engagiere ich mich gerade in den sozialen Medien, zum Beispiel mit der neuen Gesprächsreihe „Reden wir mit ….“, um auf das Thema aufmerksam zu machen. Ziel ist es, langfristig eine Gesellschaft zu fördern, die sich aktiv gegen jede Form von Hass stellt.

Sie waren als Polizist tätig. Welche Erfahrungen mit Antisemitismus haben Sie in dieser Zeit gesammelt?
Antisemitismus war auch in meiner Zeit bei der Polizei ein Thema. Leider zeigte sich, dass nicht alle Vorfälle gemeldet oder konsequent verfolgt wurden. Diese Erfahrungen haben meinen Wunsch verstärkt, auf struktureller Ebene Veränderungen anzustoßen. Als Antisemitismusbeauftragter setze ich mich nun dafür ein, dass Polizei und Justiz sensibilisiert und geschult werden, um antisemitische Taten besser zu erkennen und zu ahnden.

Sie engagieren sich in Initiativen, die den Austausch zwischen Deutschen, Israelis und Palästinensern fördern. Warum ist Ihnen dieser Dialog persönlich ein Anliegen?
Ich glaube fest daran, dass Dialog Brücken baut, wo Vorurteile Mauern errichten. Die Geschichte des Nahost-Konflikts ist komplex, und Emotionen spielen oft eine dominierende Rolle. Durch Begegnungen und Austausch können wir Vorurteile abbauen und ein tieferes Verständnis füreinander entwickeln. Als Antisemitismusbeauftragter sehe ich es als meine Aufgabe, nicht nur Antisemitismus zu bekämpfen, sondern auch den interkulturellen Dialog zu fördern, um langfristig Frieden und Verständnis zu schaffen.

Wie arbeiten Sie mit Kirchen und Glaubensgemeinschaften bei der Bekämpfung von Antisemitismus zusammen, und welche Rolle können diese übernehmen?
Sie sind wichtige Partner im Kampf gegen Antisemitismus. Sie haben direkten Zugang zu vielen Menschen und können Werte wie Toleranz, Respekt und Solidarität glaubwürdig vermitteln. Gemeinsam werden wir interreligiöse Dialogforen oder Gedenkveranstaltungen organisieren, um das Bewusstsein für jüdisches Leben und Geschichte zu stärken. Die Kirchen übernehmen auch eine Vorbildfunktion, indem sie sich öffentlich klar gegen Antisemitismus positionieren. Ihre Stimme hat Gewicht, und ihr Engagement ist unverzichtbar, um eine offene und tolerante Gesellschaft zu fördern.

Andreas Büttner, 1973 in Kassel geboren, war seit 1995 aktiver Polizeibeamter des Landes Berlin und arbeitete als Streifenpolizist in Berlin-Spandau. Von 2009 bis 2014 war er für die FDP im Landtag tätig, wo er Fraktionschef war. 2014 scheiterte die FDP an der Fünf-Prozent-Hürde. Danach wechselte Büttner in die Partei „Die Linke“, sein Landtagsmandat legte er 2024 aufgrund der Benennung zum Antisemitismusbeauftragten nieder. In jungen Jahren war er in der CDU. Andreas Büttner ist nicht-praktizierender Mormone und spielt Orgel in den Gotteshäusern verschiedener Religionsgemeinschaften, unter anderem auch in der evangelischen Kirche. Er ist Mitglied in der Deutsch-Israelischen Gesellschaft.