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Braille-Schrift für Blinde – Trotz KI nicht zu ersetzen

Am Welt-Braille-Tag am 4. Januar wird an die Erfindung der Blindenschrift durch den damals erst 16-jährigen Franzosen Louis Braille (1809-1852) erinnert. Der selbst erblindete Braille entwickelte die Punktschrift im Jahr 1825. Warum sie international nach wie vor wichtig ist, und weitere Fakten.

Die Erfindung der Punktschrift durch Louis Braille war für blinde Menschen nicht weniger als eine Revolution, wie der Leiter der Hildesheimer Blindenmission, Andreas Chrzanowski, hervorhebt. Im 19. Jahrhundert habe es einen Aufbruch in der Pädagogik für blinde Menschen gegeben, besonders in Frankreich, erläutert der evangelische Pastor. Vorher seien blinde Menschen überhaupt nicht unterrichtet worden. Brailles Erfindung sei besonders, weil sich jeder Buchstabe mit einer Fingerkuppe schnell erfassen lasse. „Aus sechs Punkten die Blindenschrift zu formen, war ein Zugang, den nur ein Blinder finden konnte.“

Die rasante Entwicklung bei der Künstlichen Intelligenz hat auch für blinde Menschen Neuerungen gebracht. Chrzanowski hebt dabei die Möglichkeiten der Bildbeschreibung hervor. „Mit Fotos konnte ich früher allein gar nichts anfangen“, sagt der Pastor, der selbst blind ist. „Jetzt kann ich mir Bilder und auch meine Umgebung im Detail beschreiben lassen.“ Apps wie die kostenlose „Be my Eyes“ bezögen dabei neben der KI auch Freiwillige ein, die blinde oder sehbehinderte Menschen unterstützten. Die Internetsuche sei durch KI ebenfalls einfacher geworden. Stimmen, die vom Computer Texte vortragen, klängen jetzt lebendig statt technisch.

Dennoch bleibt die Braille-Schrift wichtig. Auf eine Schriftsprache zu verzichten, sei aus vielen Gründen problematisch, darauf verweist der Schweizerische Blinden- und Sehbehindertenverband. Viele Menschen könnten sich zum Beispiel keine langen Texte merken, wenn sie diese nur hörten. Mehr noch als bei den sehenden nehme die Lesekompetenz bei blinden Kindern ab, mahnt Chrzanowski. „Andere Kinder sehen ab und zu noch auf ihrem Handy ein Wort und wie es geschrieben wird – manchmal zufällig.“

Die Hildesheimer Blindenmission bildet blinde Menschen in Südostasien unter anderem zu Beratern in Callcentern aus. Ohne Schriftsprache sei das nicht möglich, erläutert der Pastor. Die Logik und Grammatik hinter der Sprache lasse sich nur mit Schrift wirklich erfassen.

Blinde Kinder lernen Braille in der Regel in Förderschulen mit dem Schwerpunkt Sehen, darauf verweist die „Aktion Mensch“. Auch an Regelschulen werde die Punktschrift im inklusiven Unterricht vermittelt. Über Kurse und andere Angebote für Erwachsene informieren unter anderem der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband und die jeweiligen Landesverbände mit ihren regionalen Gruppen. Auch verschiedene Apps wie den Braille Tutor und den Braille-Trainer können Lernwillige laut „Aktion Mensch“ nutzen.

Heute sind auch für blinde Menschen Smartphones zu einem wichtigen Hilfsmittel geworden. Sie haben eine Sprachausgabe und lassen sich auch mittels Sprache steuern. Und es gibt Smartphones mit Braille-Schrift. Virtuelle Braille-Tastaturen verwandeln dabei den Bildschirm in eine Tastfläche mit sechs Punkten. Vibrationssignale und Sprachausgabe helfen bei der Orientierung.

Für Computer gibt es Tastaturen mit Blindenschriftzeile, bei der die dahinter liegende Technik Punkte anheben kann. Wer per Hand schreibt, macht dies mit einer Schablone und einem Griffel: Punkt für Punkt wird von rechts nach links ins Papier gestochen, damit der Text auf der Rückseite ertastbar ist.

Heute ist die Braille-Schrift sehr international, wie der Schweizerische Blinden- und Sehbehindertenverband erläutert. Sie werde nicht nur in allen Ländern mit lateinischer Schrift verwendet. Sogar in Sprachen, deren Schwarzschrift ganz anders ist, nutzten blinde Menschen Braille. Dazu zählen das Arabische, Russische, Chinesische oder auch Japanische.

Louis Braille war ein begeisterter Musiker, wie Pastor Chrzanowski erläutert. Er habe deshalb auch bereits Noten in seiner Schrift dargestellt. Es gebe eine Mathematik- und eine Chemieschrift, die man sich nie mündlich merken könnte. Der schweizerische Verband nennt mit einer Braille-Schachschrift und einer Braille-Strickschrift noch weitere Anwendungen.

Wer auf der Suche nach Büchern in Braille-Schrift ist, wird in herkömmlichen Buchhandlungen selten fündig. Doch es gibt spezialisierte Bibliotheken, wie das Deutsche Zentrum für barrierefreies Lesen (dzb lesen) in Leipzig oder die Deutsche Blindenstudienanstalt (blista).
Damit die Ausleihe auch aus der Ferne funktioniert, gilt laut Deutschem Blinden- und Sehbehindertenverband eine Besonderheit: Punktschriftsendungen dürfen bis zu einem Gewicht von sieben Kilo portofrei verschickt werden. Braille-Schrift braucht nämlich mehr Platz als reguläre Druckschrift. Die Bücher sind deshalb dicker und schwerer.