Botschaft verharmlost und verengt

UK 11/2019, Andacht (Seite 3: Zärtlichkeit für die Seele“)
Die alte Erkenntnis, Übersetzung sei Auslegung, bestätigt sich für den Andachtstext ein weiteres Mal, geht er doch aus von der Sprachform der „Bibel in gerechter Sprache“(2006). Meine These: Eine andere Sprachform kann zur Umtheologisierung führen. Als Belege mögen die folgenden Passagen dienen:
1. Wer lediglich „Gottes Kind“, aber nicht mehr „Sohn Gottes“ sagt (Hebräer 4,14), riskiert Schmälerung, ja Beschädigung des in der Bibel angelegten Wurzelgrundes unseres trinitarischen Gottesbildes.
2. Wer vom Hohenpriester Christus lediglich im Sinne von „Mitleid empfinden“, aber eben nicht von wirklich „mit leiden“ spricht (Hebräer 4,15), mindert Jesu passionalen Kreuzesgehorsam beziehungsweise dessen Bedeutung für den gläubigen Christen.
3. Wer Haltung und Verhalten Jesu bereits mit der Wendung „entfernte sich nicht von Gott“ als hinreichend bezeichnet ansieht, verharmlost die Macht von „Sünde“ (ebenfalls Hebräer 4,15 ). Ich weise an dieser Stelle lediglich auf die Mächtigkeit von Versuchung selbst gegenüber Jesus hin (vergleiche Lukas 4,1-13).
4. Wer schließlich bloß von „Unrecht vergeben“ statt von „Gnade“ (Hebräer 4,16) spricht, erlaubt sich eine begriffliche Verengung im Sinne von Verrechtlichung sowie damit Verweltlichung. Gottes Vorrecht der Gnade erscheint eingeschränkt.
Durch all diese Veränderungen entsteht der Eindruck psychologisierender Weltlilchkeit, aufgipfelnd in der Betitelung „Zärtlichkeit für die Seele“. Wird damit nicht der Zugang zur Passionszeit (Sonntag „Invokavit“) im Sinne des Gerufenseins, das Leiden des Herrn zu bedenken, erschwert?
Dr. theol. Dieter Burkert, Dortmund