Bistum Osnabrück wartet auf einen neuen Bischof

Vor einem halben Jahr trat Deutschlands bis dahin dienstältester Bischof, Franz-Josef Bode, zurück – als erster auch wegen des Umgangs mit Missbrauch. Unter seiner Ägide erwarb Osnabrück sich den Ruf eines Reformbistums.

Gut zweieinhalb Jahrzehnte stand Franz-Josef Bode an der Spitze des Bistums Osnabrück. Unter Leitung des anfangs jüngsten Diözesanbischofs, den viele einfach „Bibo“ nannten, erhielt das Bistum zwischen Nordseeküste und Teutoburger Wald den Ruf einer reformfreudigen und entspannten Glaubensgemeinschaft. Bis zum 20. September 2022.

An dem Tag veröffentlichte die Universität einen von Bode in Auftrag gegebenen Zwischenbericht zum Umgang der Diözesanleitung mit sexualisierter Gewalt. Für nicht wenige, den Bischof eingeschlossen, war der Bericht desillusionierend. Seine erste Entscheidung, nicht zurückzutreten, stieß auf geteiltes Echo.

Die Katholikenrats-Vorsitzende Katharina Abeln begrüßte sie als Möglichkeit, „Fehler auszubügeln und weitere Veränderungen einzuleiten“. Dass Bode fünf Monate später doch zurücktrat, nennt sie heute „eine andere Art, Verantwortung zu übernehmen“ und ein „gutes Zeichen – auch für andere“.

Von Ernüchterung spricht auch Thilo Wilhelm. „Die Diözese Osnabrück war im Umgang mit Missbrauch nicht besser und nicht schlechter als andere“, so Wilhelm, der die Personalabteilung gemeinsam mit Yvonne von Wulfen leitet. Die Doppelspitze ist eine Konsequenz aus dem Missbrauchsbericht.

Kurz vor seinem Rücktritt am 25. März hatte Bode noch drei Reformprojekte für die Diözese bekanntgegeben: ein Dekret für die außerordentliche Vollmacht zur Taufe von Kindern durch Nichtordinierte, Predigterlaubnis für nicht geweihte Personen auch in Eucharistiefeiern sowie Segnungen für Paare, die nicht kirchlich heiraten wollen oder können – etwa homosexuelle Paare oder wiederverheiratet Geschiedene.

Auf diese Weise habe die Bistumsleitung im März noch „Pflöcke eingeschlagen“, lobt Abeln. Weihbischof Johannes Wübbe, der das Bistum übergangsweise leitet, bestätigt, dass die Projekte weitergehen. Allerdings fänden die Segnungsfeiern nicht nur Zuspruch: „Wir sind dazu im Gespräch, um für alle Beteiligten passende Lösungen zu finden.“

Abeln geht wie andere nicht davon aus, dass ein neuer Bischof diese Maßnahmen zurücknimmt. Andernfalls stieße er auf erheblichen Widerstand bei Personal und Gemeinden. Wübbe, derzeit Jugendbischof der Bischofskonferenz, meint, für die meisten Jugendlichen seien die Themen des Synodalen Weges längst beantwortet. „Eine Segnung für queere und andere Paare ist für sie kein Problem. Die fragen eher: Warum diskutiert ihr noch darüber?“

Für die Suche nach dem 77. Bischof für Osnabrück nahm sich das Domkapitel ein Vorbild an den Paderborner Nachbarn. Wie dort beriet sich das für Kandidatenvorschläge und später für die Bischofswahl zuständige Gremium mit Laienvertretern. Dabei habe man „zum jetzigen Zeitpunkt das Maximum an Laienbeteiligung rausgeholt“, ohne das Verfahren zu gefährden, sagt Abeln.

„Es wäre gut, wenn ein neuer Bischof von außen käme, auch mit einem frischen Blick und neugierig auf die Diözese“, meint stellvertretend für viele Hermann Steinkamp, Geschäftsführer des Katholikenrates. Schon Bode kam aus Paderborn, sein Vorgänger Ludwig Averkamp aus dem Bistum Münster.

Doch mit einem neuen Bischof kann es dauern. Im Umfeld des Domkapitels rechnet man damit nicht vor Ostern 2024. Was nicht schlecht wäre, gäbe es dem Neuen genügend Abstand zum noch immer beliebten Vorgänger, der das Bistum 27 Jahre lang prägte. Dessen wesentliche Linie solle der Neue fortsetzen, sagen viele. Plus etwas mehr Entscheidungsfreude, fügt mancher hinzu.

So müssen Konsequenzen aus der Missbrauchsstudie fortgesetzt werden. Bis Herbst 2024 wird der Abschlussbericht der Uni Osnabrück zu sexualisierter Gewalt erwartet.

Dann ist da der Personalmangel – für Wilhelm derzeit gravierender als der Finanzmangel: „Wir sind eine Branche mit extremem Fachkräftemangel.“ Weil nicht nur der Pool der Priester, sondern auch der künftiger Gemeinde- und Pastoralassistenten schrumpft, werden inzwischen auch Sozialpädagogen und Sozialarbeiterinnen in der Seelsorge eingesetzt – mit theologischer Zusatzqualifikation.

Schon länger setzt das Bistum daher auch auf Gemeindeleitung durch Nicht-Priester, wie es im Kirchenrecht sowie in einem Diözesanstatut geregelt ist. Inzwischen werden 15 Pfarreien und Pfarreiengemeinschaften durch Pfarrbeauftragte, 7 Frauen und 8 Männer, geleitet. Eine von ihnen ist Christine Hölscher in Bad Iburg und Glane am Südrand des Teutoburger Waldes.

Sie selbst stellt sich vor als „Chefin von zwei Kirchengemeinden“ zuständig für 5.400 Katholiken, drei Kirchen, vier Kitas, ein Alten- und Pflegezentrum und einen Friedhof plus fast 100 meist haupt- sowie auch ehrenamtlichen Mitarbeitern. „Ich bin zuständig für Seelsorge, Finanzen, Bau, Personal, aber stehe sonntags nicht am Altar“, dort, wo sich Gemeindeleitung besonders sichtbar manifestiert.

Wie in allen Diözesen sind auch Finanzlage und Gebäudebestand ein Problem. Auf der Grundlage eines 2021 erarbeiteten Plans will das Bistum bis 2030 hier 50 Millionen Euro einsparenVon den 1.220 Gebäuden im Besitz von Kirchengemeinden sollen rund 180 aus der Bezuschussung des Bistums herausfallen. Über Sanierung, Verkauf oder Umnutzung sollten aber die Pfarrgemeinden selbst entscheiden, heißt es aus der Bistumsverwaltung. Zudem sind für einige bistumseigene Gebäude rund um den Dom erhebliche Umnutzungen vorgesehen.