Etwas mehr Begeisterung, bitte!

Warum sind Fußballspiele oft packender als ein Gottesdienstbesuch? Eine Spurensuche zwischen ansprechender Musik und Gottesdiensten in allen Größenordnungen.

In internationalen Gottesdiensten wie z.B. bei Treffen des Ökumenischen Rates der Kirchen, ist die Begeisterung oft deutlich spürbar.
In internationalen Gottesdiensten wie z.B. bei Treffen des Ökumenischen Rates der Kirchen, ist die Begeisterung oft deutlich spürbar.WCC/Paul Jeffrey

Als Dauerkarteninhaber eines Bundesliga-Vereins im Ruhrgebiet erlebe ich es alle zwei Wochen. Emotionen pur bei Schalke 04. Der Gesang von 60.000 Fans, Jubel, Pfiffe, Umarmungen. Das volle Programm. Jedesmal Gänsehaut beim Steigerlied, das nicht einmal vom Fußball handelt, sondern vom Bergbau, von Geschichte und Tradition. Was mir dabei regelmäßig durch den Kopf geht. Warum erlebe ich solche Emotionen nur selten im Gottesdienst?

Eigentlich verrückt, denn beim Fußball geht es im Grunde um Belangloses. In der Kirche dagegen um Entscheidendes, nämlich um die Frage nach Gott, den Sinn meines Lebens und die Ewigkeit. Müsste ich da nicht sonntags öfter beseelt und begeistert aus dem Gottesdienst kommen? Das ist leider nicht so oft der Fall. Und das liegt meist nicht – um es gleich vorwegzunehmen – an denen, die den Gottesdienst gestalten. Ganz oft liegt es am Gesamtpaket: Wenig Leute, viel Abstand, fremde Lieder, Frontalunterricht.

Das Schiff, das sich Gemeinde nennt, dümpelt oft im Hafen

Ich bin mir der Gefahr bewusst, hier Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Bundesligaspiele sind Massenveranstaltungen, bei denen leicht Emotionen aufkommen. Ähnliches gilt auch für große Konzerte, selbst für Kirchentage. Bis vor einigen Jahren endeten auch diese in vollbesetzten Stadien mit zigtausend euphorisierten Christinnen und Christen, La-Ola-Welle inklusive.

Im Stadion von Schalke 04 ist die Begeisterung groß – bei Gottesdiensten meistens nicht
Im Stadion von Schalke 04 ist die Begeisterung groß – bei Gottesdiensten meistens nichtImago / Picture Point LE

Dass viele Menschen zusammenkommen ist jedoch nicht zwingend ein Garant für gute Stimmung. Und, keine Frage: Auch „kleine“ Gottesdienste können zu Herzen gehen. Was ist nun also das Geheimnis? Ich meine: Was man singt und spricht muss mit dem übereinstimmen, was man erlebt. Gerade in der Liturgie und in den Chorälen ist viel von Jubel, Lob und Gemeinschaft die Rede. Wenn dann aber aber dünner Gesang und Anonymität erlebt werden, mag keine rechte Freude aufkommen. Das Schiff, das sich Gemeinde nennt, geht dann nicht auf große Fahrt, sondern dümpelt im Hafen. Das ist eher Sandhausen gegen Kiel als Schalke gegen Dortmund.

Vieles funktioniert über Musik

Wenn die Teilnahme am Gottesdienst nachlässt, müssen verstärkt neue Formen gefunden werden, die trotzdem ein Gemeinschaftsgefühl vermitteln. Vielleicht im Kreis sitzen, statt weit verteilt in den Bankreihen. Predigt auf Augenhöhe, nicht von Kanzel oder Pult. Choräle auswählen, die singbar und bekannt sind. Das Wochenlied ist nicht immer geeignet, das Herz zu erfreuen. Öfter mal andere Instrumente wagen. Nicht jede Orgel eignet sich zum Jauchzen und Frohlocken. Insgesamt funktioniert im Stadion wie in der Kirche Vieles über die Musik. Nicht umsonst erfreuen sich Taizé-Gottesdienste immer noch großer Beliebtheit. Auch haben viele Chöre selbst die schwierige Corona-Zeit überlebt, und für große christliche Pop-Oratorien lassen sich hunderte von Sängerinnen und Sängern gewinnen.

Für mich waren die Gottesdienste bei der Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen im Herbst 2022 in Karlsruhe ein Highlight. Wenn Christinnen und Christen aus verschiedenen Ländern und sogar Kontinenten zusammenkommen, wird für mich die Verbundenheit mit Glaubensgeschwistern immer besonders greifbar. Es gab eine große Vielfalt an Musik und spätestens im Vater Unser oder im Abendmahl waren alle vereint, ob aus Australien, Afrika oder Europa. Dabei bekomme ich Gänsehaut und da kann selbst die Nordkurve in Gelsenkirchen nicht mithalten.

Ich bin überzeugt davon, dass auch im Kleinen geht, was im Großen funktioniert. Gut, dass neue Gottesdienst-Modelle ausprobiert und Projekte unterstützt werden. Dass muss dann bloß auch in der Fläche ankommen. Damit der Kirchgang nicht zum Frust wird, sondern Lust macht. Wie es im Gesangbuch heißt: „Wir wollen fröhlich singen Gott, unserm lieben Herrn, der geb, dass es gelinge zu seinem Lob und Ehr’n“.