Bischof Overbeck: Mit neuem Miteinander gegen Suizidwünsche

Jährlich nehmen sich Tausende Menschen in Deutschland das Leben. Auf dem Katholikentag wurden gesetzliche Regelungen zur besseren Vorbeugung angemahnt. Der Essener Bischof sieht eine weitere Dimension der Debatte.

Neue Netzwerke und neuen Zusammenhalt wünscht sich der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck. Schwer erkrankte Menschen oder solche, die eine Selbsttötung in Erwägung zögen, bräuchten Solidarität, sagte Overbeck am Donnerstagabend beim Katholikentag in Erfurt. Vielen, die über einen Suizid nachdächten, gehe es um soziale Fragen; sie wollten etwa Angehörigen nicht zur Last fallen oder seien einsam.

Overbeck sprach sich für eine Stärkung vorbeugender Angebote ebenso aus wie für eine Grundsatzdebatte über gesetzliche Regelungen. Zudem brauche es einen neuen Begriff von Freiheit. “Freiheit kann ich nicht nur aus mir selbst heraus herstellen”, sagte der Ruhrbischof. Vielmehr stehe die eigene Freiheit stets in Beziehung zu anderen Menschen, dies sei in existenziellen Fragen besonders relevant.

Das Bundesverfassungsgericht hatte 2020 das Verbot der geschäftsmäßigen Beihilfe zur Selbsttötung gekippt und ein weitreichendes Recht auf selbstbestimmtes Sterben formuliert. Zugleich hatten die Karlsruher Richter aber dem Gesetzgeber ermöglicht, einen rechtlichen Rahmen für Suizidbeihilfe zu entwickeln. Es müsse verhindert werden, dass Menschen die Entscheidung zum Suizid vorschnell treffen, etwa durch äußeren Druck oder aufgrund einer Depression. Im Sommer 2023 konnte sich der Bundestag nicht auf eine Regelung einigen.

Jährlich nehmen sich in Deutschland mehr als 9.000 Menschen das Leben; das sind mehr Tote als durch Verkehrsunfälle, Mord und Totschlag, illegale Drogen und Aids zusammen. 2022 war diese Zahl erstmals wieder auf über 10.000 Suizide gestiegen. Mehr als 100.000 Menschen pro Jahr versuchen, sich das Leben zu nehmen.

Ärzte, Psychologen und Sozialverbände fordern seit langem eine Stärkung von Präventionsangeboten. Die meisten Menschen kündigten ihren Suizid “in irgendeiner Form” an, sagte die Vorstandsvorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention, Ute Lewitzka. Der Rat der Psychiaterin: “Wenn ein Mensch etwas in diese Richtung äußert – zum Beispiel ‘Das macht alles keinen Sinn mehr’ – dann fragen Sie nach.” Durch eine Nachfrage werde ein möglicher Suizidwunsch weder geweckt noch verstärkt.