Bischof Kohlgraf kündigt nach Mainzer Missbrauchsstudie „andere Kirche“ an

„Zutiefst erschreckend“ nennt Kohlgraf die Studie über sexuellen Missbrauch im Bistum Mainz. Er äußert deutliche Kritik an seinem Vorgänger, Kardinal Lehmann.

Bischof Peter Kohlgraf aus Mainz
Bischof Peter Kohlgraf aus MainzImago / epd-bild

Nach der Veröffentlichung einer umfangreichen Studie zu sexuellem Missbrauch im katholischen Bistum Mainz sieht Bischof Peter Kohlgraf seine Kirche vor unumkehrbaren Veränderungen. Zahlreiche Schilderungen in dem rund 1.200-seitigen Abschlussbericht des Regensburger Rechtsanwalts Ulrich Weber seien „zutiefst erschreckend“, sagte der Mainzer Bischof bei einer Pressekonferenz. Es falle ihm nicht leicht, Verantwortung für eine solche Gestalt von Kirche zu übernehmen, räumte er ein: „Ich will heute eine andere Kirche gestalten.“

Die Studie habe das Versagen des Systems deutlich gemacht. Sie habe den fragwürdigen Umgang mit Macht als Voraussetzung für Missbrauch betont, der von kirchlicher Sexualmoral, einem überkommenen Priesterbild und „männerbündischen Netzen“ befördert worden sei. Inzwischen gebe es viele Menschen, die eine andere „synodale Kirche“ wünschten. Er glaube nicht, dass weitgehende Veränderungen, wie sie in Deutschland beim Reformprozess „Synodaler Weg“ diskutiert werden, noch zu stoppen seien.

Auf Distanz zu Lehmann

Kohlgraf ging erneut auf Distanz zu seinem Amtsvorgänger Karl Lehmann, dem die Studie einen problematischen Umgang mit Missbrauchsopfern und Tätern bescheinigt. „Kardinal Lehmann hat mich zum Bischof geweiht, das war für mich eine Auszeichnung und ein Ausdruck der Kontinuität zwischen ihm und mir“, sagte er. „Ich habe Berichte in der Studie gelesen, die diesen Gedanken für mich jetzt schwierig machen.“ Lehmann verkörpere eine Kirche, die „abgrenzt und sich ihrer Verantwortung nicht stellt“.

Die Bistumsspitze versprach, die Aufklärung des Missbrauchsskandals weiter zu betreiben. So bleibe die Erhellung des Dunkelfeldes ein Ziel der Verantwortlichen, sagte Ordinariatsdirektorin Stephanie Rieth. Seit Veröffentlichung der Studie hätten sich bereits neue, bislang unbekannte Betroffene beim Bistum gemeldet. Kohlgraf kündigte an, auch die Verantwortung von weiteren Bistumsangehörigen unterhalb des engsten Kreises um die jeweiligen Bischöfe werde geprüft.

Keine pauschale Entschädigung

Forderungen aus den Reihen der Betroffenen nach einer pauschalen Entschädigung für Missbrauchsopfer kommentierte Kohlgraf zurückhaltend: „Eine Pauschale, egal wie groß sie ist, kann nicht wirklich Gerechtigkeit herstellen.“ Das Bistum wolle auch weiterhin in jedem Einzelfall nach einer angemessenen Lösung suchen.

Die Studie zu Missbrauchsfällen im katholischen Bistum Mainz nach 1945 hatte mindestens 401 Betroffene sexueller Übergriffe und 181 Beschuldigte ermittelt. Den Mainzer Bischöfen Lehmann sowie dessen Vorgängern Hermann Volk und Albert Stohr warfen Weber und sein Co-Autor Johannes Baumeister schwere Versäumnisse beim Umgang mit Opfern und Tätern vor. Einen langsamen Wandel beim Umgang mit gemeldeten Übergriffen habe es erst im Laufe der Amtszeit Lehmanns gegeben.