Bischof Jeremias: Christlicher Antijudaismus ist “Schamgeschichte”
Der evangelische Bischof Tilman Jeremias hat christlichen Antijudaismus als „Schamgeschichte“ verurteilt und ein Durchbrechen von aktuellen Verschwörungstheorien und Judenfeindschaft durch Bildung gefordert. „Ich finde es nahezu unerträglich, zu hören, dass jüdische Menschen unter uns in Angst leben und sich tragen mit Auswanderungsgedanken“, erklärte der Greifswalder Bischof bei der 2. Beteiligungskonferenz für einen Aktionsplan gegen Antisemitismus in Mecklenburg-Vorpommern am Montag in Schwerin, wie die Nordkirche mitteilte.
Ihn schmerzten Angst und Auswanderungsgedanken von Juden „zutiefst und die Geschichte, die dahintersteckt, ist eben auch eine Schamgeschichte des christlichen Antijudaismus über Jahrhunderte“, sagte Jeremias. „Die Kirche, für die ich auch Verantwortung habe, die hat Martin Luther in ihrem Namen, der in seinen Spätschriften nichts anderes schreibt als Hetze und Hass gegen Juden.“
Die Wurzeln des christlichen Antijudaismus gingen allerdings „viel tiefer, bis in die Bibel hinein. Nicht bei Jesus, der Jude war und als Jude gelebt hat, aber als es zur Trennung kommt zwischen junger Kirche und Judentum und Jesus Äußerungen in den Mund gelegt werden, für die wir uns heute auch schämen müssen“, erläuterte der Bischof. „Wir haben langsam gelernt als Kirche, nach der Shoa hat es 20 Jahre gedauert. Ich hoffe, dass wir wirklich gelernt haben.“
Laut Jeremias haben Verschwörungstheorien, die beispielsweise Judenfeindschaft schüren, eine Entlastungsfunktion: „Wir erleben gerade viele Krisen, vieles, mit dem wir nicht klar kommen. Dann identifiziere ich eine kleine Gruppe von Menschen, die angeblich schuld daran sind.“ Der Bischof nannte es „eine große Bildungsaufgabe, Kinder und Jugendlichen zu sagen, Ihr seid für euer Leben selbst verantwortlich. Es sind nicht die anderen, die Euer Leben schlecht machen.“ Selbst einzustehen dafür, dass die Welt friedlicher und gerechter wird, sei „ja auch ein urdemokratischer Gedanke“.
Zu der Konferenz hatten das Kulturministerium, die Landeszentrale für politische Bildung und der Beauftragte für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus Mecklenburg-Vorpommern ins Konzertfoyer des Mecklenburgischen Staatstheaters geladen. Jeremias ist Bischof im Sprengel Mecklenburg und Pommern der evangelischen Nordkirche.