Bischof Gohl: „Letzte Generation“ lenkt von Klimazielen ab

Die Aktionen der „Letzten Generation“ sorgen innerhalb der Kirche für geteilte Meinungen. Der Bischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, Ernst-Wilhelm Gohl, hat eine klare Meinung.

Immer wieder verlieren Autofahrer die Geduld und greifen Aktivistinnen und Aktivisten der "Letzten Generation" an
Immer wieder verlieren Autofahrer die Geduld und greifen Aktivistinnen und Aktivisten der "Letzten Generation" anImago / Uwe Meinhold

Der Bischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, Ernst-Wilhelm Gohl, lehnt die Protestformen der Klimabewegung „Letzte Generation“ ab. In einer Demokratie gehe es darum, Menschen für Ziele zu gewinnen, sagte Gohl in der Evangelischen Akademie Bad Boll bei Göppingen. Straßenblockaden und Farbattacken führten aber dazu, dass über die Art der Proteste und nicht mehr über ihre Ziele gesprochen werde, kritisierte er.

Die strafrechtliche Verfolgung der „Letzten Generation“ hält der Bischof allerdings für „absolut unangemessen“. So sei Präventionshaft ursprünglich gegen Terroristen eingeführt worden, was auf die Klimaaktivisten nicht zutreffe.

Die Landeskirche engagiert sich laut Gohl stark für die Bewahrung der Schöpfung. Die Umsetzung des kirchlichen Klimaschutzgesetzes werde ein schwerer Weg, weil es sehr viel Geld koste. „Wir sind aus der Komfortzone draußen“, betonte der Bischof.

Konzept des zivilen Ungehorsams

Die Politikwissenschaftlerin Frauke Höntzsch von der Universität Augsburg kritisierte die Einstufung von Vertretern der „Letzten Generation“ als Kriminelle oder Terroristen. Die Klima-Aktivisten handelten „mustergültig“ innerhalb des Konzepts des zivilen Ungehorsams, begingen keine Gewalttaten und scheuten im Gegensatz zu Straftätern nicht das Licht der Öffentlichkeit. Ihre Vertreter seien mit ihrem zivilen Ungehorsam „Hüter der Legitimität“, sagte Höntzsch in Anlehnung an ein Zitat des Philosophen Jürgen Habermas.

Die Politologin führt die starke öffentliche Kritik an der „Letzten Generation“ unter anderem darauf zurück, dass sie Horrorszenarien vermittle, denen man nicht ausweichen könne. Es fehle aber eine positive Vision, die Menschen motiviere. In Verbindung mit den Kirchen könnte ein Zukunftsbild entworfen werden, in dem Zuversicht, Gemeinschaft und Tatkraft im Mittelpunkt stünden.

Pfarrerin: Klimaschutz muss bei Kirche zum zentralen Thema werden

Moritz Riedacher, Pressesprecher der „Letzten Generation“ in Stuttgart, sagte, er sei während eines Hilfseinsatzes nach der Flutkatastrophe im Ahrtal radikaler geworden. Die Zerstörungen hätten ihm gezeigt: „Es braucht mehr Vehemenz und einen Protest, der die Dringlichkeit vor Augen führt.“ Dabei komme es aber auf Gewaltfreiheit an. Vor Straßenblockaden gebe es bei der „Letzten Generation“ Protesttrainings mit Rollenspielen, um etwa die Perspektive aufgebrachter Autofahrer zu verstehen und ruhig zu reagieren.

Jessica Hubbard, baden-württembergische Landesvorsitzende von Fridays for Future, sieht ihre eigene Bewegung derzeit auseinanderdriften. Weil sich Menschen ohnmächtig fühlten, gingen sie etwa zur „Letzten Generation“ oder auch in Parteien oder Wissenschaft. Medien versuchen laut Hubbard, die Klimabewegung zu spalten und dazu zu bewegen, kritische Statements über jeweils andere Gruppen abzugeben. „Die Klimabewegung ist nur stark, wenn wir zusammenhalten.“

Die evangelische Pfarrerin Andrea Rückert, die in München die „Arbeitsgemeinschaft Vernetzung mit den Kirchen“ koordiniert, warnte die Kirche davor, ein „Wohlfühlverein“ zu werden oder zu bleiben. Durch die Klimakrise würden die Rechte von Milliarden Menschen im globalen Süden mit Füßen getreten. Deshalb dürfe Klima in der Kirche nicht ein Thema unter vielen sein, es müsse immer ganz oben stehen.