Bischof Gohl: Debatte um Gottesdienste mit Achtsamkeit führen

In einem Beitrag für die in Berlin erscheinende Zeitschrift „Zeitzeichen“ plädiert Ernst-Wilhelm Gohl, Landesbischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, für eine „achtsame Debatte“ über den Gottesdienst. Bilderstürmerischer Eifer habe noch nie ein Problem gelöst, schreibt der Bischof zu aktuellen Vorschlägen, die bis zur Abschaffung des Sonntagmorgengottesdienstes reichen.

Etwa drei Prozent der evangelischen Kirchenmitglieder besuchen in der Regel den Sonntagmorgengottesdienst, nur an besonderen Tagen wie bei Konfirmationen oder beim Erntedankfest sind es deutlich mehr. Dem stehen laut Gohl die vielen Ressourcen gegenüber, die die Kirchengemeinden für die regelmäßige Feier einsetzen: Pfarrer, Kirchenmusiker, Mesnerinnen und Mesner, Energiekosten. Verwiesen werde in den Debatten vor allem auf das veränderte Freizeitverhalten und die Form des Gottesdienstes: Sie sei zu traditionell und entspreche nicht mehr dem Musikgeschmack und den Kulturbedürfnissen der Mehrheit.

Viele Kirchengemeinden hätten in den vergangenen 30 Jahren Zweitgottesdienste entwickelt, zu anderen Uhrzeiten am Sonntag oder auch Samstag. Sie integrierten alternative liturgische Elemente und einen anderen Musikstil. Viele dieser Angebote seien aber mittlerweile selbst in die Jahre gekommen und keine echte Alternative mehr. Auch am Sonntagmorgen sei das Musikangebot breiter geworden, von der Lobpreisband bis zur Taizé-Gruppe. Bei den in der Gottesdienstagenda festgelegten Formen gebe es „eine Freude am Experimentieren“. Jeder Gottesdienst aktualisiere die Erfahrung der Auferstehung Jesu Christi am Morgen des ersten Ostertages. Allerdings stelle Martin Luther fest: Es liege in der christlichen Freiheit begründet, sich als christliche Gemeinde auch auf einen anderen Tag zu verständigen.

Die Zunahme von Zielgruppengottesdiensten, warnt der Bischof, verstärke die Zentrifugalkräfte und bringe die Gefahr, die christliche Gemeinschaft und die „Einheit des Leibes Christi“ aufzulösen. In Zeiten kommunikativer Vereinzelung und grassierender Partikularinteressen in Gemeinden sei das „kein beruhigender Befund“. Den Sonntagsgottesdienst leichtfertig aufzugeben, so der Bischof weiter, „wäre ein Verhängnis, ihn nicht weiter reformieren zu wollen, ebenfalls“. Die Debatte müsse „mit Achtsamkeit geführt werden“. Denn es gebe „viele Menschen, die diese Gottesdienste mit viel Kompetenz und Engagement vorbereiten und gerne feiern“. (1077/20.05.2024)