Bildbetrachtung: „Jona entsteigt dem Wal“

Über das Bild von Maler Jan Brueghel dem Älteren zur Jona-­Geschichte.

„Jona entsteigt dem Wal". Gemälde von Jan Brueghel d.Ä. (1595, Ausschnitt), Alte Pinakothek München
„Jona entsteigt dem Wal". Gemälde von Jan Brueghel d.Ä. (1595, Ausschnitt), Alte Pinakothek MünchenWikipedia/PD

Vom 1. bis 3. Sonntag nach Trinitatis sind als Lesung im Gottesdienst die Ereignisse des Jona-Buches vorgesehen. Jona bekam von Gott den Auftrag, in die assyrische Residenzstadt Ninive zu gehen. Sie galt als „Sündenbabel“. Dort sollte er die Menschen aufrufen, ihren Lebensstil zu ändern. Doch er floh mit einem Schiff in die entgegengesetzte Richtung.

Jona gehörte vermutlich zu einer Gruppe Rechtgläubiger, denen es nicht passte, dass Gottes Barmherzigkeit auch sogenannten Gottlosen galt und gilt. Auf seiner Flucht geriet er in einen Sturm. Jona ging über Bord. Gott sandte daraufhin zur Rettung einen großen Fisch. Im Bauch des Fisches spricht Jona ein Bekenntnis und ein Dankgebet und wird an Land gespuckt. Nebenbei bemerkt: Von der Antike bis in unsere Gegenwart gibt es Berichte, dass Wale einen Menschen kurz­zeitig verschluckt und wieder ausgespuckt hatten. An so eine Erzählung knüpft vermutlich das Jona-Buch an.

Kein Donnerwetter

Befreit aus dem Todesrachen machte sich Jona nach Ninive auf und hielt eine Bußpredigt. Alle Bewohner schenkten ihm Gehör und eine Veränderung trat ein. Von Weitem schaute er zu, was mit der Stadt passierte. Doch Gott ließ kein Donnerwetter niedergehen, sondern zeigte Erbarmen. Darüber ärgerte sich der Prophet, auch weil zugleich ein Strauch, der ihm Schatten spendete, verdorrte. Das Ende des Buches zeigt, dass Gottes Barmherzigkeit nicht an den Grenzen eines fremden Volkes Halt macht. Wo Menschen ein neues ­Leben beginnen, da will Er retten und nicht ruinieren. Sein Erbarmen ist größer als fromm eingekleidete Gesetzlichkeit und unbarmherzige Frömmigkeit.

Viele von uns kennen das Jona-Buch seit Kindertagen. Anschaulich und dramatisch lässt sich die Geschichte erzählen. In der Kunst des 16. Jahrhunderts hat unter anderem Jan Brueghel der Ältere (1568-1625), der viel mit Rubens zusammen arbeitete, ein Gemälde zu dieser Geschichte gemalt. Das Original hängt in der Alten Pinakothek München.

Jan Brueghel der Ältere war vor allem als Blumenmaler bekannt. Sein hier überwiegend von bedrohlich wirkenden Wassermassen ­geprägtes Bild gilt als besonderes „Seestück“. Am linken Ufer, auf den Bergen, liegt eine in ihrer Dunkelheit verborgene Stadt. Vielleicht ein Hinweis auf Ninive.

Tod und Auferstehung

Brueghel hat hingegen die ­Befreiung Jonas aus dem Maul des Fisches lichtvoll in Szene gesetzt. Betend und dankbar, mit aufgerichtetem Blick, steigt er aus dem „Rachen des Todes“. Der Fisch hat ebenfalls seinen Blick erhoben. Am Ufer und am Horizont lichten sich Land und Himmel – es erinnert an den Ostermorgen.

In Matthäus 12,39 und folgenden Versen wird für Jesus die Jona-­Geschichte Sinnbild von Tod und Auferstehung. Das hat der Künstler vermutlich mitbedacht. In diesem Zusammenhang stehen eventuell auch die vielen Muscheln am Strand. Sie können ein Symbol für Verwandlung und Auferstehung sein.
Das Ins-Freie-Treten und das ­rote Gewand des Propheten erscheinen auf dem dunklen Hintergrund wie Leuchtzeichen eines neu geschenkten Lebens. Vielleicht schon Hinweise auf den Neubeginn in Ninive. Doch zunächst muss Jona den von Krebstieren und Muscheln übersäten Strand betreten. Der Krebs im Vordergrund war im 17. Jahrhundert ein Sinnbild für das Böse und die Unbeständigkeit irdischer Dinge. Einige Muschelarten waren in der niederländischen ­Malerei auch negativ „besetzt“. Sie galten als Hinweis auf ein rohes, ­unzivilisiertes Leben, denn Miesmuschel-Mahlzeiten wurden oft in Bordellen serviert.

Gottes Auftrag

Jona macht sich nun über dieses „belastete Gelände“ auf den Weg nach Ninive und erfüllt den Auftrag Gottes. Er bringt die Menschen zur Umkehr und ist am Ende doch verwundert über Gottes Barmherzigkeit.

In der Person des Jona spiegeln sich Momente, die manch berufener Botschafter der Botschaft Gottes auch kennt. So habe ich diese biblische Geschichte einmal wie folgt zusammengefasst:
Manchmal bin ich wie Jona:

Gerufen und beauftragt Boote zu setzen / in die versalzenen Wasser der Gleichgültigkeit, / zwischen die Noten der Loblieder Kreuze zu ­malen, /dem Fort-Schritt ein Bein zustellen, / aus Mördergruben Herzen zu machen. Doch, wer bin ich schon?

Manchmal bin ich wie Jona in meiner Flucht nach vorn in Haus und Heim, Musik und Wein, Lärm und Lust. Doch der Sturm bleibt nicht aus. Ertrunken in meiner Flucht gehe ich baden. / Ausgespuckt wie ein Schluck Wasser /steht mir alles bis zum Hals, aber ich lebe!

Manchmal bin ich wie Jona, enttäuscht und zermürbt, müde und leer, /Schatten verdorren und irgendwie steckt der Wurm in allem. / Doch Gott ruft mich trotzdem. Manchmal bin ich wie Jona.

Ralf-Günther Schein ist Pfarrer und Kunstbeauftragter im Ruhestand in Templin.