Bilanz: Pressefreiheit ist weltweit bedroht

„Reporter ohne Grenzen“ veröffentlicht jedes Jahr die Rangliste der Pressefreiheit. In vielen Ländern haben sich die Arbeitsbedingungen für Medienschaffende verschlechtert – so auch in Deutschland.

Medienschaffende geraten in vielen Ländern immer häufiger in Gefahr
Medienschaffende geraten in vielen Ländern immer häufiger in GefahrImago / IPON

Deutschland hat sich im Ranking der Pressfreiheit von „Reporter ohne Grenzen“ verschlechtert. In der aktuellen Rangliste steht die Bundesrepublik auf Platz 21, nach Platz 16 im Vorjahr, wie die Organisation zum internationalen Tag der Pressefreiheit mitteilte. Weltweit sieht der Geschäftsführer von „Reporter ohne Grenzen“, Christian Mihr, eine „dramatische Entwicklung“. In 128 von 180 untersuchten Ländern seien die Arbeitsbedingungen für Medien problematisch bis sehr ernst, sagte er im ZDF-Morgenmagazin.

Als Grund für Deutschlands Abstieg nannte „Reporter ohne Grenzen“ die wachsende Gewalt gegen Medien vor allem auf Kundgebungen. Mit 103 Angriffen gab es 2022 einen neuen Höchststand. 2021 waren es 80, 2020 noch 65. Die Mehrheit der Attacken 2022 haben laut der Journalistenorganisation einen verschwörungsideologischen, antisemitischen oder extrem rechten Hintergrund.

Viele Angriffe in Ostdeutschland

Der Vorstandssprecher von „Reporter ohne Grenzen“, Michael Rediske, bezeichnete die Zahl als erschreckend. Die Bundesvorsitzende der Deutschen Journalisten-Union in ver.di, Tina Groll erklärte, wenn Gewalt Journalismus verhindern wolle, sei der unbedingte Schutz der Pressefreiheit systemrelevant für die Demokratie.

Zwei Drittel der Angriffe 2022 passierten laut dem Ranking in Ostdeutschland, davon 24 in Sachsen. Als Problem wertete die Organisation die Straflosigkeit der Attacken. Viele Medienvertreter äußerten sich unzufrieden über die Arbeit von Polizei und Justiz. „Reporter ohne Grenzen“ fordert deshalb dringend einen effektiven Schutz von Medien bei der Berichterstattung.

Der Abstieg Deutschlands ist laut der Journalistenorganisation aber auch auf die Verbesserungen anderer Länder zurückzuführen. Zu ihnen gehören die Niederlande, die um 22 Plätze auf den sechsten Platz kletterten, unter anderem wegen der raschen Ermittlung im Fall des 2021 ermordeten Reporters Peter de Vries. Weniger Gewalt und rechtliche Fortschritte hätten die Pressefreiheit in der Slowakei gestärkt. Das Land stieg um zehn Plätze auf den 17. Rang. Großbritannien kommt auf Platz 26, unter anderem weil dort Wikileaks-Gründer Julian Assange noch immer im Gefängnis auf eine Entscheidung über seine Auslieferung an die USA wartet.

China und Nordkorea sind Schlusslichter

Dennoch sei Europa nach wie vor die einzige Region der Rangliste, in der Staaten mit „guter Lage“ der Pressefreiheit vertreten seien. Zum siebten Mal in Folge belegt Norwegen Rang eins, gefolgt von Irland, wo der Pluralismus auf dem Medienmarkt zuletzt zugenommen habe, hieß es. Platz drei belegt Dänemark, gefolgt von Schweden und Finnland.

Schlusslichter des Rankings bilden Vietnam (Rang 178), China (179) und Nordkorea (180). In China säßen mit mindestens 100 so viele Medienleute im Gefängnis wie in keinem anderen Land. Mehr als zehn von ihnen könnten im Gefängnis sterben, wenn sie nicht umgehend freigelassen würden. Mit Tadschikistan, Indien und der Türkei seien drei Länder in die schlechteste Kategorie „sehr ernst“ abgerutscht, weil Journalisten dort angegriffen, ermordet, willkürlich festgenommen oder zu langen Haftstrafen verurteilt würden. Russland kommt aktuell auf Platz 164, die Türkei auf Rang 165.