In Mecklenburg-Vorpommern sind zwischen 2002 und 2024 insgesamt 57 öffentliche Bibliotheken und damit mehr als jede dritte (rund 37 Prozent) dieser Einrichtungen geschlossen worden. Während es 2002 noch 154 öffentliche Bibliotheken (inklusive 13 Fahrbibliotheken) gegeben habe, sei die Zahl bis 2024 auf 97 geschrumpft, sagte Anja Mirasch (Greifswald), Sprecherin des Deutschen Bibliotheksverband (dbv) in MV, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Von den Fahrbibliotheken sei nur eine einzige im Landkreis Rostock übrig.
Die Kürzungen bei Bibliotheken im Nordosten und „das stille Sterben gerade kleiner Bibliothekseinrichtungen im ländlichen Raum“ sei eine „ganz fatale Entwicklung“, sagte Mirasch. „Wo einmal eine Bibliothek geschlossen ist, wird auch keine Bibliothek so schnell eröffnet werden“, warnte sie vor eventuellen weiteren Schließungen.
2022 schlossen laut Mirasch etwa die Stadtbibliotheken in Grimmen (Landkreis Vorpommern-Rügen) und Strasburg (Landkreis Vorpommern-Greifswald). Die gesunkene Nachfrage in der Corona-Zeit und wirtschaftliche Gründe seien von den Kommunen als entscheidende Gründe angegeben worden. Aus Sicht des Bibliotheksverbandes seien die Nutzerzahlen der Corona-Jahre 2020 und 2021 aber keine Grundlage für strategische Entscheidungen zum Fortbestand von Bibliotheken.
Die angespannte Haushaltslage der Kommunen führe zum Sparen bei den freiwilligen Leistungen, zu denen die Bibliotheken gehören. Das könne auch zur Folge haben, dass verschiedene kommunale Einrichtungen zusammengelegt werden. So etwas könne funktionieren, wie etwa in Schwaan (bei Rostock), sagte Mirasch. Dort sei ein Mehrgenerationenhaus mit Bibliothek, Jugendklub und offenem Treff entwickelt worden. „Das funktioniert sehr gut.“ Für solche Konzepte sei wichtig, dass es weiterhin eine gute finanzielle Ausstattung sowie Fachpersonal für die Bibliothek gibt.
Ein anderes Beispiel sei Stralendorf bei Schwerin, wo die Bibliothek geschlossen werden sollte, jetzt aber ehrenamtlich weitergeführt werde. Die Ehrenamtliche, die sich dort engagiert, sei eine Bibliothekarin, die jetzt in Rente ist.
In vielen Kirchen gebe es Tauschregale, aber darum gehe es in den Bibliotheken schon gar nicht mehr, sagte Mirasch. „Bibliotheken sind der Kompass in der Medien- und Informationsgesellschaft.“ Das sei nicht durch ein Regal irgendwo machbar, das brauche Fachpersonal, das sich auskennt, Workshops und Schulungen machen kann.
Bibliotheken seien unverzichtbar für die Gesellschaft, weil sie Angebote für Chancengleichheit auf Bildung, Nachhaltigkeit, Integration und soziale Teilhabe machten, erklärte die dbv-MV-Sprecherin. Zu den innovativen, neuen Angeboten gehöre inzwischen in acht Einrichtungen auch eine „Bibliothek der Dinge“, wo etwa Bohrmaschinen, Mikroskope, Ferngläser oder Bluetooth-Boxen ausgeliehen werden können. Dahinter stehe auch der Bildungsgedanke. Ein anderes Projekt seien die 18 Technotheken. Da könnten unter anderem Technikbausätze, Teleskope ausgeliehen werden, die Jugendliche für die MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) interessieren sollen.
„Die Idee, dass man in der Bibliothek nur liest, diese Idee hat sich überlebt“, erläuterte Mirasch. Viele Bibliotheken kooperieren auch mit der Arbeitsagentur, die Beratungen oder Bewerbungstrainings anbietet. Die Bandbreite der Angebote sei groß. So gebe es mittlerweile 16 Saatgutbibliotheken, in denen man sich Saatgut für alte regionale Sorten ausleihen und nach der Ernte Saatgut zurückbringen kann. Zudem gebe es viele Medien zum Deutschlernen in Bibliotheken sowie Medien auf Ukrainisch. Die Stadtbibliothek Wismar biete beispielsweise ein Sprachcafé an.
Die Nutzungsgebühren seien so sozial, dass jeder sie sich leisten könne, erklärte Mirasch. „Das ist der große Wert der Bibliotheken, dass wir eine breite Bevölkerung erreichen.“ Im vergangenen Jahr hatten die Bibliotheken in MV laut Mirasch fast 1,3 Millionen Besuchende und über 4,1 Millionen Entleihungen, darunter über 780.000 in der Onleihe. Die Zahl der Veranstaltungen in Bibliotheken erhöhte sich im Jahr 2024 um 17 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf 8.450. Darunter waren viele Veranstaltungen mit Schulklassen, wie Workshops zu Fake News oder zum Programmieren.
Ein Schwerpunkt in der Bibliotheksarbeit sei derzeit die Demokratiebildung. Gerade im Blick auf die bevorstehende Landtagswahl 2026 seien viele Bibliotheken aktuell dabei, Projekte dafür zu entwickeln, um die Medien- und Informationskompetenz zu stärken und um auf Fake News aufmerksam zu machen.