Der Verein „Missbrauchsopfer & Betroffene im Bistum Trier“(MissBiT) kündigt an, Betroffene von sexuellem Missbrauch bei Zivilklagen gegen das Bistum Trier zu unterstützen. „Durch unseren Hilfsfonds wollen wir die Voraussetzungen schaffen, dass Betroffene, die ohnehin durch den erlittenen Missbrauch Einbußen in ihrem Lebens- und Berufsweg hinnehmen mussten, die Möglichkeit haben, ihre Ansprüche durchzusetzen“, erklärte der Verein am Mittwoch in Trier. Da Bischof Stephan Ackermann im direkten Gespräch einen Vorschlag zu weiteren außergerichtlichen Einigungen kategorisch abgelehnt habe, seien Zivilklagen nötig.
Das Bistum rechnet nach eigenen Angaben mit mehreren Klagen, der Verein geht von derzeit drei aus. In einer Mitgliederbefragung hätten weitere Personen bekundet, den ersten Prozess abzuwarten und dann über die eigene Klage zu entscheiden. Zudem gehe der Verein davon aus, dass weitere Klagen von Betroffenen kämen, die nicht mit MissBiT in Verbindung stünden. Eine Zivilklage werde bis zu 30.000 Euro und mehr kosten. Rechtsschutzversicherungen griffen in der Regel nicht, da diese zum Zeitpunkt der Tat bestanden haben müssen.
Der Klageweg werde „belastend und kostspielig“. Für den Hilfefonds wolle der Verein Spenden erbitten und versuchen, Kredite zur Vorfinanzierung der Klagen einzuwerben. „Wir rufen die Zivilgesellschaft auf, Betroffene zu unterstützen“, erklärte MissBit. „Mit Geld, aber auch, indem Personen sich mit uns solidarisieren und uns bei den Prozessen durch ihre Anwesenheit beistehen.“
Das Bistum erklärte auf Nachfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd), dass es außergerichtliche Vergleiche jenseits des von den Bistümern und Orden gemeinsam eingerichteten Verfahrens zur Anerkennung des Leids ablehne. Mit dem „Verfahren zur Anerkennung des Leids“ sei ein außergerichtlicher Weg beschrieben, der auf eine niedrige Plausibilisierungsnotwendigkeit des erlittenen Leids setze. Die zugesprochenen finanziellen Leistungen orientierten sich zudem an der offiziellen Schmerzensgeldtabelle.
MissBiT kritisierte dies und bezeichnete die Berechnungen der „Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen“ (UKA) als „eine außerhalb jeden Rechtsrahmens stehende Entschädigungslotterie“. Zuletzt hatte das Bistum Augsburg erklärt, einem Missbrauchs-Betroffenen eine Anerkennungsleistung in Höhe von 150.000 Euro zu zahlen. MissBiT verwies wiederum auf ein Urteil des Kölner Landgerichts aus dem vergangenen Jahr, welches einem Missbrauch-Betroffenen ein Schmerzesgeld in Höhe von 300.000 Euro zugesprochen hatte.
Der Betroffen-Verein beklagte außerdem, dass Bischof Ackermann, eine formelle Kooperationsvereinbarung, die die individuelle Aufarbeitung für Betroffene zum Inhalt gehabt hätte, mit MissBiT nicht abschließen wolle. Eine Sprecherin des Bistums erklärte, eine exklusive Zusammenarbeit mit dem Verein sehe das Bistum nicht. Die Möglichkeit müsse allen Betroffenen offenstehen, auch denen, die nicht von MissBit vertreten oder begleitet werden. Sie verwies darauf, dass Bischof Ackermann im Gespräch mit dem Verein um nachvollziehbare und überprüfbare Kriterien für eine individuelle Aufarbeitung gebeten habe. Das Bistum arbeite derzeit an solchen Kriterien und nehme die entsprechenden Hinweise aus dem Gespräch mit MissBit dazu auch gerne auf.
MissBiT kritisierte auch erneut den Umgang des Bistums mit Betroffenen. Jüngster Beleg seien Vorgänge bei der Akteneinsicht. Mehreren Betroffenen sei bei einem Termin dazu lediglich ihre eigene Verfahrensakte, also ihr Antrag auf Anerkennung des Leids und der damit verbundene Schriftverkehr vorgelegt worden.
Nach einer Studie sind bisher die Fälle von rund 580 Opfern sexuellen Missbrauchs im Bistum Trier und mehr als 220 Beschuldigten im Zeitraum von 1946 bis 2021 dokumentiert. MissBiT geht davon aus, dass die Zahlen noch steigen werden.