Besuch in der Mühle von Sanssouci

Zum weltberühmten Ensemble von Schloss und Park Sanssouci in Potsdam gehört auch eine Windmühle.

Mühle mit Gästehaus
Mühle mit GästehausUlrich Traub

Die Mühle von Sanssouci hat große Anziehungskraft – und das hat nicht nur mit der exponierten Lage zu tun. Denn nicht alle Besucher und Besucherinnen kommen, um die „Historische Mühle“ zu besichtigen, viele wollen dort einfach nur Mehl und Grieß kaufen.

„Oben wird bei uns noch wie vor über hundert Jahren gemahlen“, informiert Torsten Rüdinger, der Potsdamer Müller. Im Geschoss darunter liegen zwei Ebenen, auf denen über Geschichte und Technik dieser und anderer Mühlen informiert wird. Und im Erd­geschoss befindet sich der Laden. Rüdinger nennt seinen Arbeitsplatz „ein produzierendes Mühlenmuseum“. „Wir verarbeiten Dinkel, Roggen und Weizen, nur in Bio­qualität“, betont er. Sich selbst stuft er bescheiden als Hilfsmüller ein. „Meine Fachkenntnisse habe ich mir selbst angeeignet.“

Ort der Mühlen

Schon seit dem Jahr 2000 ist Torsten Rüdinger, der Energietechnik studiert und unterrichtet hat, als Museumsleiter aktiv. Sein Interesse an Mühlen wurde bereits in seiner Kindheit geweckt, wuchs er doch im brandenburgischen Neuzelle auf einem Hof auf, auf dem eine Wassermühle stand. Die Mühle von Sanssouci ist eine Bockwindmühle, der älteste Mühlentyp in Mitteleuropa – und sie hat eine bewegte Geschichte. Sie ist mittlerweile der dritte Bau an dieser Stelle.

Potsdam war ein Ort der Mühlen. Bereits in der Gründungsurkunde der Stadt ist von einer Mühle die Rede und im 18. Jahrhundert musste sogar ein Mühlenbauprogramm aufgelegt werden, weil die Einwohnerzahl Potsdams so stark gestiegen war. Im Zuge dessen wurde auch der Vorvorgänger der heutigen Mühle errichtet. 1738 nahm er den Mahlbetrieb auf. Mit dem Bau von Schloss Sanssouci wurde erst sieben Jahre später begonnen, nicht gerade zum Vergnügen des damaligen Müllers, der Beeinträchtigungen seines Betriebs fürchten musste. Diese Konstellation hatte es in sich und ließ eine später viel zitierte Legende entstehen.

Friedrich der Große soll nämlich das Geklapper der Windmühlen­flügel so sehr genervt haben, dass er dem Müller Grävenitz anbot, die Mühle zu kaufen. Doch der wackere Müller lehnte ab, worauf der König ihm unwirsch entgegnet haben soll, dass er sehr wohl seine Mühle abbrechen lassen könne. Grävenitz, keineswegs eingeschüchtert, soll entgegnet haben: „Gut gesagt, allergnädigster Herr, wenn nur das Hofgericht in Berlin nicht wäre.“ Da gab sich der Alte Fritz geschlagen.

Berufsstand mit Sonderrolle

Die Geschichte, die verfilmt wurde und es bis auf die Theaterbühne geschafft hat, gibt es auch in anderen Versionen, jedoch immer mit demselben Ausgang, der die Bedeutung und Wertschätzung des Müllerhandwerks zum Ausdruck bringt. Tatsächlich hatten Müller in der damaligen Ständegesellschaft eine Sonderrolle, so waren sie etwa vom Kriegsdienst befreit und durften sonn- und feiertags arbeiten.

Torsten Rüdinger, Potsdamer Müller, in Aktion
Torsten Rüdinger, Potsdamer Müller, in AktionUlrich Traub

Müller Rüdinger kann über die Konfrontation von König und Müller – auch daran wird in seiner Mühle erinnert – nur schmunzeln. „Eigentlich war Friedrich ein recht moderner Mensch. Er bezeichnete die Mühlen als Zierde seines Schlosses.“ Es gab damals sieben Stück rund um den Park Sanssouci, die dessen natürliches Aussehen unterstreichen sollten. Die Geschichte könnte sich auch so zugetragen haben, dass die gewachsenen Bäume die Grävenitz-Mühle sozusagen in den Windschatten stellten und der Müller daher verärgert gewesen war. Tatsache ist, dass die Mühle abgerissen und 1791 durch eine neue, größere Galeriewindmühle ersetzt wurde.

Brand und Wiederaufbau

„Zu der Zeit arbeiteten in Potsdam mehr als 40 Mühlen“, berichtet Rüdinger. Erbaut wurde sie nach Plänen Cornelius Wilhelm van der Boschs, einem der zahlreichen Handwerker aus den Niederlanden im Potsdam jener Zeit. Wie viele andere Mühlen wurde auch diese im 19. Jahrhundert unrentabel. Sie wurde 1858 stillgelegt. In den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs brannte sie aus. Die in Aussicht stehende Tausendjahrfeier Potsdams gab zu DDR-Zeiten den Anstoß für den Wiederaufbau. Zum Jubiläum 1993 drehten sich dann erstmalig die Flügel der originalrekonstruierten Mühle. Zehn Jahre später konnte mit der Getreideverarbeitung
begonnen werden.

Heute gehört die „Historische Mühle“, in der Torsten Rüdinger auch Führungen organisiert, etwa für Schulklassen, zur Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg. Die Bedeutung der Mühle wird auch dadurch deutlich, dass sie zusammen mit Schloss und Park Sanssouci 1990 in die Liste des Weltkulturerbes eingetragen worden ist. Und das Müllerhandwerk gehört nicht nur in Deutschland zum Immateriellen Kulturerbe.

Historische Mühle, Maulbeerallee 5, Potsdam. Öffnungszeiten: 1. April bis 31. Oktober täglich 10–18 Uhr. Telefon: 0331/5506851
www.historische-muehle-potsdam.de