Berufung: Hier bin ich richtig
Beruf oder Berufung – das ist in vielen kirchlichen und sozialen Berufen die Frage. Doch die Frage geht bis ins private. Dahin, wo Menschen Erfüllung in einem Ehrenamt finden.
Hui, da ging’s hoch her. Beruf oder Berufung – wie würden wir später als Pfarrerinnen und Pfarrer unsere Aufgabe verstehen? Gerade hatten wir im Theologiestudium über Luthers Auffassung vom Dienst in der Welt gehört. Und nun stritten wir, ob das Pfarramt ein Beruf sei wie alle anderen. Oder ob dieser Dienst nicht doch irgendwie mehr wäre: halt eine „echte“ Berufung.
Nur: Was ist eine „echte“ Berufung? Die einen erzählten, sie hätten eine plötzliche Erkenntnis gehabt. Im Gespräch mit anderen oder im Gebet; eine Beauftragung, eine Stimme vom Himmel, wie in der Bibel. Für andere war es ein Prozess des Reifens. Ein Werden, Suchen, Irren und Finden. Und manche vermeintliche Berufung stellte sich im Nachhinein auch als Irrweg oder Überforderung heraus.
„Berufung“ beruflich wie privat zu finden
Vielleicht fragt man bei „Berufung“ deshalb besser nicht nach dem „Ruf“. Sondern nach dem Ergebnis. Wenn wir sagen: Da hat jemand seine Berufung gefunden – da wissen wir, was gemeint ist. Nämlich: Da ist jemand erfüllt von dem, was er tut.
Und das bezieht sich ja längst nicht nur auf den Job, mit dem wir den Lebensunterhalt verdienen. Die Frau, die treu und verlässlich Alleinstehende besucht. Das Ehepaar, das sich in der Entwicklungshilfe engagiert. Der Mann, der den Gemeindebrief austrägt. Die Menschen, die den Blumenschmuck in der Kirche arrangieren, Kaffee für die Gruppe kochen, anschließend abwaschen und putzen, Nachbarschaftstreffen mit geflüchteten Menschen arrangieren. Wer so etwas gern und voller Überzeugung tut, der hat seine Berufung gefunden. Egal, ob der Ruf nun vom Himmel kam, vom Pfarrer – oder schlicht dem Wunsch entsprang, der Langeweile zu entfliehen.
Warum Kirche und nicht Karriere?
Vor Jahren sprach mich eine Bischöfin, mittlerweile längst im Ruhestand, an. Wir hatten nett geplaudert, nun wollte sie wissen, warum ich denn ausgerechnet bei einer KIRCHENzeitung arbeitete. Unterton: Haben Sie denn nichts Besseres gefunden? Süddeutsche? DIE ZEIT? Der Spiegel? Da war ich einigermaßen erstaunt – und fragte zurück, ob sie sich die gleiche Frage denn auch schon mal gestellt hätte.
Warum Chefin bei einer Kirche sein, wenn man bei Siemens oder Audi Karriere machen könnte? Warum Artikel für die Leserinnen und Leser von UK schreiben, wenn man als Autor der FAZ glänzen könnte? Warum tragen Menschen Klingelbeutel durch Kirchenbänke, reden Verzweifelten am Telefon gut zu, spielen Gitarre und singen mit der Dementengruppe?
Antwort: Weil es eine Berufung sein kann.
Wenn jemand etwas gerne tut; etwas, das den eigenen Fähigkeiten entspricht; was das Gefühl vermittelt: Ja, hier bin ich richtig, hier erlebe ich Sinn – das ist viel. Das kann ein Glück sein. Ein Segen. Dann mag man mit Fug und Recht sagen: Hier habe ich meine Berufung gefunden.