Beim „Blickwechsel“ steigen Laien auf die Kanzel
Der Osnabrücker Superintendent Joachim Jeska lädt regelmäßig zum „Blickwechsel“ ein. Dabei sollen Menschen ohne theologische Ausbildung neue Perspektiven in den Gottesdienst einzubringen.
Was wäre, wenn die Tiere sprechen könnten? Was würden sie uns erzählen? Diese Frage hat Dajana Leverenz in den Mittelpunkt ihrer Predigt „Umgang mit der Schöpfung“ gestellt, die sie im Rahmen der Reihe „Blickwechsel-Gottesdienst“ in der Osnabrücker Markuskirche gehalten hat.
Etwa dreimal im Jahr lädt der Osnabrücker Superintendent Joachim Jeska Menschen zum Predigen ein, die keine Ausbildung fürs Pfarramt haben. „Ich möchte, dass die Menschen einmal von außen auf biblische Texte schauen und sie aus ihrem Alltag heraus lesen.“ Und dass so ein anderer Blick auf die Texte geworfen wird.
Die Vorbereitung geschieht gemeinsam
Dajana Leverenz ist die inzwischen siebte Person in der Reihe. Sie ist Schulleiterin der Osnabrücker Heinrich-Schüren-Grundschule und hat beim Schulgottesdienst regelmäßig Kontakt zu Jutta Tloka, Pastorin der Nordwestgemeinde in Osnabrück. Aus der Bekanntschaft entstand die Idee, bei der Reihe mitzumachen. Auch weil sie so einer alten Idee nachgehen konnte: „Ich wollte früher einmal Pastorin werden“, sagt sie.
Die Vorbereitung auf den Gottesdienst erfolgt gemeinsam, Jeska tauscht sich mit seinen Gästen aus. „Dazu gehört ein intensives Nachdenken über die Texte, was regelmäßig zu total spannenden und interessanten Diskussionen führt“, sagt der Superintendent. „Ich lerne dabei selber viel Neues kennen, das ist ein Blick auf Themen ohne die theologische Brille. Der andere Kontext ist eine Bereicherung.“
Aufregung weicht der Freude
Das Thema hat Dajana Leverenz selber ausgesucht. „Ich wollte etwas zu Franz von Assisi machen.“ Für ihre Predigt hat sie viel Zeit investiert, vor allem für die Recherche. „Im Gottesdienst habe ich dann die Zuhörer einbezogen, bin mit dem Mikrofon in die Reihen gegangen und habe in Interviewform gefragt, welche Tier-Geschichte sie zu erzählen haben.“
Das Echo sei überraschend groß gewesen. „Ich hatte erst die Sorge, dass keiner sich meldet, aber viele haben etwas beigetragen.“ Im Gottesdienst sei dabei eine sehr emotionale Stimmung entstanden, sagt Leverenz. „Einzelne Geschichten waren sehr bewegend.“ Vorher sei sie aufgeregt gewesen, habe das Erlebnis aber sehr genossen. „Ich könnte mir durchaus vorstellen, noch einmal dabei mitzumachen.“
Bei den vorangegangenen Gottesdiensten haben schon ein Psychologieprofessor, der Präsident der Handwerkskammer und auch ein Museumsdirektor auf der Kanzel gestanden. Auch sie haben die Themen und Predigten vorher mit Jeska besprochen. Ausgearbeitet werden sie dann von den Predigenden selbst, doch einen Blick riskiert er vorab immer, um die Planung anzupassen.
Die Bibel aus dem Alltag heraus lesen
Meist spreche er Menschen für den Blickwechsel-Gottesdienst an, mit denen er im Kontakt sei, so Jeska, doch Vorbehalte hat er kaum, predigen könne praktisch jeder. „Jeder bringt seine eigene Geschichte mit, und so kommt es zu vielen unterschiedlichen Perspektiven.“ Als willkommender Nebeneffekt führen diese besonderen Gottesdienste auch dazu, dass Menschen in den Gottesdienst kämen, die sonst nicht in der Kirche seien.
In der Zusammenarbeit mit Leverenz hat er selbst die Liturgie ein wenig angepasst und beispielsweise Texte dafür ausgesucht, die von dem Schriftsteller und Kabarettisten Hanns Dieter Hüsch stammten. „Er hat auch Psalmen und Segenstexte geschrieben, das kam sehr gut an.“
Jeska betont, wie wichtig es grundsätzlich sei, dass Kirche neue Wege geht. „Wir müssen uns für die Zukunft stärker öffnen.“ Es mache keinen Sinn, immer nur die gleichen Angebote zu machen und zu warten, dass die Menschen zu ihnen kommen. „Wir müssen auf sie zugehen. Nur so kann Kirche Menschen erreichen.“
Und weil die „Blickwechsel“-Gottesdienste sehr gut angekommen, soll die Reihe fortgesetzt werden. Die nächsten Ausgaben sind bereits in Planung.