Befreiungstheologie
Befreiungstheologie heißt eine in den 1960er und 70er Jahren in Lateinamerika entstandene kirchliche Reformbewegung. In ihrem Mittelpunkt steht die “Option für die Armen”. Zu den bekanntesten Vertretern zählen die Brüder Leonardo (85) und Clodovis Boff (80), Bischof Helder Camara (1909-1999) aus Brasilien, der nicaraguanische Dichter Ernesto Cardenal (1925-2020) und der Peruaner Gustavo Gutierrez (1928-2024). Dessen Buch “Teologia de la liberacion” von 1971 gab der Bewegung ihren Namen. Der 1980 ermordete und 2018 heiliggesprochene Erzbischof Oscar Romero aus El Salvador gilt ebenfalls als Repräsentant der Befreiungstheologie.
Diese reagierte auf die politische und gesellschaftliche Situation Lateinamerikas in den 1960er und 70er Jahren. Angesichts von Massenarmut hatten 1968 die lateinamerikanischen Bischöfe einen Weg empfohlen, der als “Option für die Armen” beschrieben wurde. Tragend für die Umsetzung waren sogenannte Basisgemeinden.
Der Vatikan kritisierte, dass bestimmte Vertreter der Befreiungstheologie in ihrer soziologischen Gesellschaftsanalyse auch marxistische Deutungsmuster gebrauchten. Theologen und Priester wurden in den 80er Jahren mit Lehr- und Schreibverboten belegt oder suspendiert. Dennoch breitete sich der theologische Ansatz auch in Afrika und Asien aus.
Die römische Glaubenskongregation unter Kardinal Joseph Ratzinger, dem späteren Papst Benedikt XVI. (2005-2013), stellte 1984 und 1986 in zwei Texten die Unvereinbarkeit einer marxistisch verstandenen Befreiungstheologie mit der kirchlichen Lehre fest. Diese Form der Theologie missverstehe die Idee des Gottesreiches und verrate den Glauben zugunsten revolutionärer Projekte.
Inzwischen ist in der kirchlichen Lehre die “vorrangige Option für die Armen” nicht mehr umstritten. Mit der Papstwahl des Argentiniers Jorge Mario Bergoglio (Franziskus) 2013 rückten Armut und Ausgrenzung von Menschen wieder verstärkt in den Fokus der katholischen Kirche.