Beeindruckende Arte-Dokumentation über Seegraswiesen

Seegras steckt auch nach jahrelanger Forschung noch voller Überraschungen. Zugleich ist es weltweit bedroht. Die Arte-Dokumentation eines preisgekrönten Filmemachers taucht in diese Welt ein.

Seegras speichert nicht nur die größten Zuckervorräte unseres Planeten; die Pflanze schützt auch weltweit die Strände vor Erosion. Die fast 80.000 Jahre alten, zwischen Ibiza und Formentera gelegenen Seegraswiesen sind das vielleicht älteste Lebewesen der Erde. Die Dokumentation “Wunderwelt Seegraswiesen Klimaretter, Kinderstube, Küstenschutz” berichtet als Co-Produktion von Arte und ZDF am 4. Mai um 21.50 Uhr über die Bedrohung dieses Lebensraums für viele Arten. Zugleich zeigt der Film in beeindruckenden Bildern, mit welchen Superkräften die Pflanze dabei helfen kann, die Klimaerwärmung zu verlangsamen.

Seit 26 Jahren dokumentiert der 54-jährige Florian Guthknecht als Filmemacher, Autor und Regisseur die Zerstörung der Natur. Über Arten- und Korallen-Sterben hat der für seine Dokumentationen oft ausgezeichnete Journalist immer wieder berichtet, auch über Seegraswiesen: “Wir waren an denselben Orten wie vor 20 Jahren – und der Verlust ist absolut dramatisch. Es ist sehr schwierig geworden, Tiere vor die Kamera zu kriegen. Genauso schwierig ist es, gesunde Seegraswiesen zu finden und zu filmen, weil diese wichtigen Lebensräume des Meeres unter den Temperaturen extrem zu leiden haben.”

In den Augen vieler ist Seegras oft nichts weiter als lästiger, meterhoher pflanzlicher Abfall an Stränden. Dabei hat die ehemalige Landpflanze bei ihrem Weg zurück ins Meer ungeahnte Fähigkeiten entwickelt, wie die Dokumentation eindrucksvoll zeigt. Seegras bindet genauso viel Treibhausgase wie der Regenwald. Das liegt daran, dass Seegras eine Partnerschaft mit einem Bakterium eingegangen ist und dadurch große Mengen Zucker produziert.

Über die Bedeutung von Seegras für die Welt unter und über Wasser forscht die amerikanische Meeres- und Tiefsee-Biologin Nicole Dubilier. Guthknecht und sein Doku-Team haben die 67-jährige Direktorin vom Max-Planck-Institut in Bremen auf der toskanischen Insel Elba besucht. Für Dubilier steckt Seegras auch nach jahrelanger Forschung voller Überraschungen. Um diese weiter zu enträtseln, hat die Expertin eigens tauchen gelernt.

Doch diese faszinierende Welt und deren über Millionen Jahre bewährten Superkräfte können Seegraswiesen nicht schützen gegen Klimaerwärmung, Verschmutzung und Fischerei. “Das ganze Gleichgewicht der Seegraswiesen scheint gestört”, berichtet Dubilier beim Interview auf einem fahrenden Boot, einer Besonderheit an Guthknechts Filmen.

Auch Thorsten Reusch vom “Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung” forscht in Kiel über die Pflanze. Der 59-jährige Ökologe stellt fest, dass fast 60 Prozent der Seegraswiesen in der Ostsee in den vergangenen 100 Jahren verschwunden sind. Reusch analysiert beispielsweise, wie sich Lärm auf alle 66 Seegras-Arten auswirkt, um dagegen anzukämpfen.

“Wunderwelt Seegraswiesen Klimaretter, Kinderstube, Küstenschutz” ist eine interessante 53-Minuten-Dokumentation mit beeindruckenden Unterwasser-Bildern – darauf ist Florian Guthknecht spezialisiert. Nach allem Engagement für den Naturfilm gibt Guthknecht zu, an manchen Drehorten mitunter etwas resigniert und langsam zynisch zu werden. Zugleich sagt der Journalist begeistert: “Ich darf Menschen wie Thorsten Reusch treffen, der mit unvergleichbarem Elan unter Wasser den Anbau von Seegraswiesen betreibt. Es gibt ihn und Nicole Dubilier, die mit großem Idealismus und mit einer einmaligen Energie in das Thema grätschen, dass es für mich schlicht unglaublich ist.”

Sein Credo und ebenso das des Films: Es gibt noch viele Menschen, die den Kampf für den Erhalt der Natur nicht aufgegeben haben und die ihr letztes Hemd geben für den Naturschutz. Eine hoffnungsvolle Perspektive zu späterer Stunde.