Baum des Jahres: Die Echte Mehlbeere trotzt dem Klimawandel

An Waldrändern und im Flachland wächst ein wenig beachteter Laubbaum, dem künftig mehr Bedeutung zukommen dürfte. Die Echte Mehlbeere ist der „Baum des Jahres 2024“. „Mit dem Klimawandel wird ein höherer Stellenwert erwartet“, sagt Manuel Karopka von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) in Freiburg.

Dabei gilt die Mehlbeere mit ihren maximal zehn bis zwölf Metern Höhe gar nicht als richtiger Baum. Die Rede ist von einem „Baum zweiter Ordnung“, einem Großstrauch. Die Echte Mehlbeere sei eine „heimische, wilde Art“, sagt der technische Leiter der Abteilung Forst und Pflanzenzüchtung der FVA. Sie komme deutschlandweit bis in den Alpen vor.

Als Kulturform sei sie für den „Hausgarten zu empfehlen“, betonte der gelernte Gärtner. Optisch ansprechend sind ihre Hagebutten ähnlichen rötlich-braunen Beeren, die in kleinen Dolden am Strauch hängen. Die vitaminreichen, leicht säuerlich schmeckenden Früchte seien im Mittelalter vermahlen und in Brot eingebacken worden, erklärt Karopka die Herkunft des Namens der Mehlbeere.

Die bis zu zwölf Zentimeter großen, ovalen Blätter sind zur Spitze hin gezackt. Die Oberseite ist anfangs hell behaart, später dunkelgrün. Die Unterseite der Blätter bleibt weiß-filzig behaart. Die haarigen Blätter schützen vor schneller Verdunstung von Wasser.

Bis der Strauch ausgewachsen ist, vergeht viel Zeit. Erst nach etwa 15 Jahren könne man von einem „kleinen Baum“ sprechen, berichtet der Experte. Nach 30 bis 50 Jahren sei die Echte Mehlbeere ausgewachsen. Sie könne – bei guten Bedingungen – rund 150 Jahre alt werden.

Für die Holzwirtschaft spielt „sorbus aria“, so der lateinische Name der Echten Mehlbeere, heute keine Rolle. Im Mittelalter sei ihr sehr hartes Holz zum Bau von Musikinstrumenten verwendet worden. Auch Werkzeugstiele und Maschinen seien daraus hergestellt worden, weiß Karopka.

Umso wertvoller ist der baumartige Strauch unter ökologischen Gesichtspunkten: Er ist Lebensraum für zahlreiche Insekten und sichert damit die Artenvielfalt. Die Beeren dienen Vögeln als Nahrung. Als Strauch, der trockene, sonnige Standorte liebt und tiefe Wurzeln hat, kommt er auch mit schwierigen Strandorten bis 1.500 Metern Höhe zurecht.

Als vierthäufigste Laubbaumart – nach Buche, Bergahorn und Vogelbeere – trägt die Mehlbeere im alpinen Bergwald zur Stabilisierung von Hängen bei. Auf den rund 200 Inventurflächen der Schutzwaldsanierung zählte die Bayrische Landesanstalt für Wald- und Forstwirtschaft (LWF) in Freising zuletzt etwa 10.000 Mehlbeeren in der Verjüngung. „Im Alpenraum wird der Strauch mit Hubschraubern zur Pflanzung transportiert“, sagt Hans-Joachim Klemmt von der Abteilung Waldbau und Bergwald an der LWF.

Der „Baum des Jahres 2024“ biete somit Schutz vor Lawinen und Erdrutsch, führt der Forstwirt aus. Verbreitet ist die Mehlbeere in Bayern darüber hinaus im Frankenjura und auf der Fränkischen Platte. Es existieren zahlreiche Hybridformen.

Gepflanzt werde jedoch ausschließlich die Echte Mehlbeere, sagt Klemmt und ergänzt: „Den Baum muss man wollen, er geht sonst schnell unter.“ Er habe im Wirtschaftswald wenig „Konkurrenzkraft“ und benötige Pflege und Hilfe, betont der Fachmann. Der Strauch brauche Helligkeit. Die dichte Krone einer Buche etwa raube der Mehlbeere das Licht.

Der „Baum des Jahres“ wird seit 1989 jedes Jahr durch die Dr. Silvius Wodarz Stiftung und das „Kuratorium Baum des Jahres“ (KBJ) bestimmt. Schirmherr ist Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne). Ziel der Schutzgemeinschaft ist es, den jeweiligen „Baum des Jahres“ bekannter zu machen und auf seine Wertigkeit hinzuweisen. (0848/24.04.2024)