Bargeldloses Bezahlen: Ein Pro & Contra
Die Deutschen lieber ihr Bargeld – oder doch nicht? Timo Teggatz und Sibylle Sterzik sind sich nicht einig. Ein Pro & Contra über das digitale Bezahlen.
Pro: Digitales Bezahlen ist die Zukunft
von Timo Teggatz
Im Sommer habe ich Urlaub in Schweden gemacht, eine schwedische Krone habe ich die ganze Zeit nicht in der Hand gehalten. Das Frühstück im Café, die Fahrt mit der U-Bahn, der Eintritt ins Museum – alles lässt sich wunderbar bequem digital per Smartphone bezahlen. Handy ans Bezahlterminal halten, drei Sekunden warten, fertig! Einfacher geht’s nicht, und obendrein ist es noch viel hygienischer, als Scheine und Münzen aus dem Portemonnaie zu kramen.
Das technik-affine Schweden gilt als Vorreiter in Sachen digitales Bezahlen und hat bereits viele positive Erfahrungen gemacht. Die meisten Geschäfte und Restaurants nehmen gar kein Bargeld mehr an. Falschgeld ist in Schweden praktisch gar nicht mehr im Umlauf – aus naheliegenden Gründen. Auch Banküberfälle finden nicht mehr statt. Wie sollten Bankräuber auch digitales Geld klauen?
Diebe haben es schwer
Und bevor Sie jetzt sagen: Aber was ist, wenn mir mein Handy geklaut wird? Dann muss der Dieb erst einmal Ihr Smartphone knacken oder alternativ Ihren Fingerabdruck oder Ihre Gesichts-ID zur Hand haben. Beides nicht sonderlich wahrscheinlich. Wenn Ihnen aber Ihre volle Geldbörse geklaut wird, haben Diebe ziemlich leichtes Spiel. Auch der Bezahlvorgang selbst gilt Experten zufolge als sicher. Übertragen werden nämlich nicht die Daten der im Handy hinterlegten Kreditkarte, sondern nur ein verschlüsselter Code.
Natürlich mag es für Ältere oder Technik-Muffel nicht so einfach sein, das Smartphone zum Bezahlen zu nutzen. Aber es ist zu schaffen. Viele Kirchengemeinden jedenfalls haben das Problem erkannt und bieten Senioren entsprechende Technik-Kurse an. Eine sehr schöne Idee!
Bargeld? Nur für den Notfall
Früher war mein Portemonnaie noch prall gefüllt – vor allem mit den vielen kleinen Münzen, die man beim Barzahlen zurückbekommt. Heute habe ich eine Mini-Geldbörse, in die ich immer einen 20-Euro-Schein packe – für den Fall, dass ich in irgendeinem Geschäft mal wieder das Schild sehe „Keine Kartenzahlung!“.
Contra: Bargeld bleibt wichtig
von Sibylle Sterzik
Fahren mit Barem? Ist passe. Keinen scheints zu stören. Seit dem 1. September kann man in Berliner Bussen Fahrkarten nicht mehr mit Bargeld kaufen, nur noch bargeldlos. Automaten gibt es in Bussen nicht. Auf diese alltägliche Durchsage reagiert niemand. Stöhnen, Protest, Jubel? Rein gar nichts. Alle einverstanden, folgern Kommentatoren. Mitnichten.
Wer gern bargeldlos zahlt, wo auch immer, nur zu. Ich kaufe Tickets per App oder gar nicht dank D-Ticket. Aber Barbara, die sonst neben mir in der Kirche sitzt, fast 85 Jahre, lässt Kartengedöns lieber zu Hause, seit ihr im Café ihr Portemonnaie wegkam. Alles neu beantragen, nur Scherereien. Dann die Vergesslichkeit, an Ticketkauf vorher nicht gedacht. Da wird die alte Dame den Bus wohl vorbeifahren lassen müssen. Die Mehrheit will es so. Und dann?
Extra Wege für Guthabenkarte
Den Mann neben mir beim Parkfest frage ich, was er von bargeldlosen Bustickets hält. Mit Karte bezahlen? Die bleibt zu Hause, seit ihm nachts an der Bushaltestelle vier Männer auflauerten und ihn zwingen wollten, Geld beim Automaten abzuheben. Handy, Computer, Online-Banking – der Mitsiebziger, kultiviert, gebildet, benutzt das nicht. Ohne Internet kann er nicht kontrollieren, was ihm vom Konto abgezogen wurde. „Mich freut das aber für die Busfahrer“, sagt er, denkt weiter als nur an sich. „Jetzt sind die das Kassieren los.“ Und verkaufen ohne Bargeld weiter. Geht auch per Guthabenkarte, die man aber selbst aufladen und dafür extra Wege machen muss.
Bloß eine Minderheit? Drei Prozent, die bar zahlen – und außerdem schreibt Oma doch auch per WhatsApp? Auf Regeln, die für jeden passen, kommt es an. Deutschland unterschrieb 2007 das „Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“. Damit sollte es auch in Bussen und Bahnen ernst machen. Noch besser: Fahren zum Nulltarif für alle. Busse voll, Autos in die Garagen, Karten zu Hause, Kleingeld in die Spardose vom Enkel. Alle glücklich, oder wer nicht?