Bar-Poet, Theatermusiker, Schrottliebhaber: Tom Waits wird 75
Trinkender Poet, Bar-Pianist, Schrottliebhaber, genialer Theatermusiker und gefeierter Schauspieler: Es gibt kaum ein Klischee, das Tom Waits nicht erfüllt hat. Seit Jahren macht sich der eigensinnige Musiker in der Öffentlichkeit allerdings rar: In den vergangenen 20 Jahren hat er drei Alben veröffentlicht. Wenn er mal ein Interview gibt, erzählt er skurrile Fantasiegeschichten und sein Privatleben schirmt er ab. Sicher ist nur: Waits ist immer wieder für eine Überraschung gut.
Am 7. Dezember wird er 75 Jahre alt. Lange Tourneen, der Stress mit Hotels und fremden Menschen machten ihn nur noch mürrischer, sagte er bereits vor 20 Jahren dem Magazin „Der Spiegel“. „Und ich bin auch so schon oft sehr finster gelaunt.“ Sein letztes Album liegt inzwischen 13 Jahre zurück: Das nach längerer Pause veröffentlichte „Bad As Me“ (2011), bei dem auch Stones-Gitarrist Keith Richards mit von der Partie war, wurde von Kritikern als spielfreudiger Geniestreich gewürdigt.
Das Musikmagazin „Rolling Stone“ zählt ihn zusammen mit John Lennon, Elvis Presley und Bob Dylan zu den 100 weltbesten Sängern der Rock- und Popgeschichte. „Chronist der Außenseiter“, nannte ihn die „Süddeutsche Zeitung“, „Poet der coolen Einsamkeit“ die „LA Free Press“. 2011 wurde Waits in die „Rock ‘n’ Roll Hall of Fame“ aufgenommen.
„Viele Leute glauben, ich schlafe auf dem Billardtisch, stehe um drei Uhr mittags auf, schütte Whiskey in meine Cornflakes“, sagte der Musiker einmal in einem „Spiegel“-Interview. Fast alle Images seien „erfunden und kultiviert, und das meiste dabei ist heiße Luft“, räumte er ein. Er sei kein Kinostar, der sein neues Gebiss und sein neues Gesicht alle drei Wochen auf den Titelbildern herumzeige: „Ich mache Musik und arbeite nicht dauernd an meinem Image.“
Geboren wurde Thomas Alan Waits am 7. Dezember 1949 im kalifornischen Pomona. Seine Eltern waren beide Lehrer und musikbegeistert. Das Spiel auf der Gitarre und auf dem Piano brachte er sich in jungen Jahren selbst bei. Sein familiärer Hintergrund sei durch und durch bürgerlich gewesen, sagte Waits seinem Biografen Patrick Humphries: „Ich war verzweifelt bemüht, da rauszukommen.“
Als Waits in den frühen 70er Jahren in der Hippie-Hochburg Los Angeles durch die Nachtclubs tingelte, schien er aus der Zeit gefallen zu sein: Mit Ziegenbärtchen, Schiebermütze und zerknautschten Anzügen aus Secondhand-Läden wirkte er wie ein Poet der bereits abgedankten Beat-Generation. Die frühen Songs zeigen deutliche Einflüsse der Autoren dieser Bewegung um Jack Kerouac, Allen Ginsberg und William S. Burroughs. Auch seine verarbeiteten musikalischen Einflüsse von Jazz, Musicals oder Frank Sinatra passten nicht in die Rock- und Poplandlandschaft der 1970er Jahre.
Stoff für seine Songs über Herumtreiber, hoffnungslose Romantiker, Spieler und Huren fand er in den schummerigen Bars und 24-Stunden-Diners des nächtlichen Los Angeles. Passend zu seinem Image lebte Waits in den 70er Jahren im legendären Tropicana Motor Hotel in West Hollywood. Dort waren schon Musiker wie Doors-Sänger Jim Morrison oder Janis Joplin sowie Autoren wie Burroughs und Sam Shepard abgestiegen.
Hits wurden Waits’ Stücke zunächst durch berühmte Kollegen wie Rod Stewart („Downtown Train“), Bruce Springsteen („Jersey Girl“) oder die Eagles („Ol’ 55“). Als Schauspieler wurde Tom Waits in dem Film „Down by Law“ (1986) international bekannt. In dem Werk von Jim Jarmusch spielte er als Knastbruder Zack eine der Hauptrollen – und steuerte die Musik bei. Mittlerweile hat er in fast 40 Filmen mitgespielt, darunter unter der Regie von Francis Ford Coppola oder Robert Altman.
Seit der Heirat mit Kathleen Brennan 1980 hat Tom Waits die Rolle des trinkenden Troubadours aufgegeben. Musikalisch schlug er mit dem viel gerühmten Album „Swordfishtrombones“ (1983) einen komplett neuen Kurs ein: Seine Stücke, die er seitdem gemeinsam mit seiner Frau schreibt, frönen der Lust am Theater, an schrägen Freak-Shows und am Experiment mit vergessenen oder erfundenen Musikinstrumenten. Für den Regisseur Robert Wilson komponierte er Bühnenmusik („The Black Rider“, „Alice“).
Zuletzt wurden limitierte Sondereditionen zu Jubiläum der Alben „Closing Time“ (1973), „Heart of Saturday Night“ (1974) oder „Mule Variations“ (1999) veröffentlicht. Gerüchten zufolge soll Waits zurzeit mit Jarmusch an einer Fortsetzung des gemeinsamen Films „The Dead Don’t Die“ (2019) arbeiten.
„Rolling Stones“-Gitarrist Keith Richards, der außer auf dem Album „Bad As Me“ auch auf „Rain Dogs“(1985) zu hören ist, würde am liebsten gleich wieder Musik mit Waits machen: „Ich habe es geliebt, mit ihm zu arbeiten, und ich würde es jederzeit wieder tun, Tom!“, sagte er vor wenigen Monaten dem Musikmagazin „Rolling Stone“.
Mit seiner Frau, mit der er drei Kinder hat, lebt Waits allerdings zurückgezogen auf einer Farm nahe San Francisco. Statt bei öffentlichen Auftritten soll er eher auf Schrottplätzen zu finden sein – die Funde verwendet er als Musikinstrumente. Das Publikum sei ein wildes Tier, sagte Waits einmal: „Es ist das Beste, wenn es nicht zu gut gefüttert wird.“