Bangladesch versinkt in Chaos und Gewalt – mehr als 100 Tote
In Bangladesch eskalieren Proteste gegen ein Quotensystem im Öffentlichen Dienst. Bei blutigen Ausschreitungen gab es zahlreiche Tote und Verletzte. Die Regierung verhängte eine Ausgangssperre und blockiert das Internet.
In Bangladesch eskaliert die Gewalt im Zusammenhang mit Studentenprotesten gegen ein Quotensystem für Jobs im Öffentlichen Dienst. “Die Regierung geht unter Einsatz von Gewalt gegen die Proteste vor”, hieß es am Samstag auf der Internetseite der Deutschen Botschaft in Dhaka. Weiter teilte die Botschaft mit: “Am 18. Juli 2024 wurden das Internet und mobile Daten abgeschaltet.” Seit der Nacht zu Samstag bestehe eine landesweite Ausgangssperre, die vorerst bis Sonntagvormittag gelten solle. Im Regierungsviertel seien Militäreinheiten positioniert worden. Es werde dazu geraten, Demonstrationen und sonstige potenziell gewalttätige Zusammenkünfte zu meiden.
Bei den Unruhen wurden Medienberichten zufolge bislang mehr als 100 Menschen getötet, Hunderte durch die Einsätze von Polizei und Armee verletzt. Indische Medien berichteten am Samstag in Live-Blogs über die Lage im benachbarten Bangladesch. Die Regierung von Premierministerin Sheikh Hasina habe zur Unterstützung der Polizei in der Hauptstadt Dhaka Militär und paramilitärische Kräfte eingesetzt, um die Universitäten abzusperren und Proteste niederzuschlagen, hieß es. Unterdessen sind Internetseiten der Medien von Bangladesch nicht zugänglich. Auch die jüngsten Posts auf X von Nachrichtenportalen wie Dhaka Tribune sind von Donnerstag.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hatte am Freitag ein sofortiges Ende der “tödlichen Gewalt gegen Demonstranten” gefordert. Der stellvertretende Amnesty-Regionaldirektor für Südasien, Babu Ram Pant, äußerte sich entsetzt über die steigende Zahl an Todesopfern und eine “absolute Intoleranz der bangladeschischen Behörden gegenüber Protesten und abweichenden Ansichten”. Die willkürliche, landesweite Abschaltung des Internets und ein pauschales Verbot von Protesten durch die Dhaka Metropolitan Police schränkten das Recht auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung noch weiter ein, so Pant.
Bei den seit Wochen andauernden Demonstrationen fordern die Studenten ein Ende des Quotensystems, das 30 Prozent der Stellen im Öffentlichen Dienst Familienangehörigen von Veteranen garantiert, die 1971 im Unabhängigkeitskrieg des Landes gegen Pakistan gekämpft hatten. Das Quotensystem ist nach Ansicht der Demonstranten diskriminierend und begünstigt Anhänger von Premierministerin Hasina, deren Partei Awami Liga die damalige Unabhängigkeitsbewegung angeführt hatte. Die Studenten wollen stattdessen leistungsbezogene Einstellungen.
Laut Berichten von Medien in Bangladesch vor der Abschaltung des Internets geht neben Sicherheitskräften auch die regierungstreue Studentenorganisation Chhatra League gewaltsam gegen reformorientierte Studenten vor. Die militante und in Teilen als kriminelle Organisation eingestufte Chhatra League ist die Studentenorganisation der Awami Liga.
Die Demonstrationen begannen im vergangenen Monat, nachdem der High Court das Quotensystem am 5. Juni wieder eingeführt und damit eine Entscheidung der Regierung von Premierministerin Hasina aus dem Jahr 2018 zur Abschaffung dieses Systems aufgehoben hatte. Die Regierung legte gegen diese Entscheidung Berufung ein, über die das Oberste Gericht am 7. August beraten will. Die Studenten verstärkten jedoch ihren Protest, und Premierministerin Hasina goss Öl ins Feuer. Sie bezeichnete die Demonstranten als “Razakar” und verwendete damit eine beleidigende Bezeichnung für Personen, denen vorgeworfen wird, 1971 mit der pakistanischen Armee zusammengearbeitet und das Land verraten zu haben.