Bad Wilsnack: Wunderblutkirche in neuem Glanz

Die Künstlerin Leiko Ikemura gestaltete in der Kapelle die Glasfenster neu. An Pfingstmontag werden sie eingeweiht.

Groß, weitläufig und lichtdurchflutet – Wunderblutkirche in Bad Wilsnack
Groß, weitläufig und lichtdurchflutet – Wunderblutkirche in Bad WilsnackAnna Trapp

Bad Wilsnack. Noch befindet sich die Orgel der Wunderblutkirche in Bad Wilsnack unter einem Zelt, das sie vor Baustaub schützen soll. Offiziell sind die Bauarbeiten an der mittelalterlichen Kirche abgeschlossen, weil die finanziellen Mittel erschöpft waren. Aber Pfarrerin Anna Trapp hofft, dass es weitergeht. Denn es wäre noch viel zu tun.

Das riesige mittelalterliche Kirchgebäude ist für Wanderer in der Prignitz und Radfahrer auf dem Elberadweg von weitem zu sehen. Die schiere Größe der Kirche in einem Ort mit 2500 Einwohnern, der auf halbem Weg von Berlin nach Hamburg liegt, hängt mit einer Legende zusammen: 1383 zerstörte ein Feuer Ort und Kirche, aber im Kirchenaltar aufbewahrte geweihte Hostien brannten nicht, sondern nahmen eine blutrote Färbung an.

Übernachtungstourismus und Ablasshandel

Die Hostien galten seither als Wunder und zogen über Jahre Pilger aus halb Europa an. Menschen aus Skandinavien, dem Baltikum, den deutschen Ländern, Flandern, Böhmen und Ungarn pilgerten nach Wilsnack, weil sie sich durch das Betrachten der Hostien Heilung von Krankheiten, Straferlass und Vergebung ihrer Sünden erhofften. Übernachtungstourismus und Ablasshandel spülten viel Geld in die Kirchenkassen und ermöglichten den Bau der riesigen Kirche.

Mit der Reformation gingen Pilgern und Geldfluss langsam zurück. Als der erste evangelische Pfarrer Joachim Ellefeld 1552 die Hostien verbrannt hatte, war es damit vorbei. Als Erbschaft dieser Zeit hat Bad Wilsnack ein historisch bedeutsames Kirchgebäude, das, so Anna Trapp, „für unsere kleine Gemeinde eigentlich nicht zu stemmen ist“.

Von 2016 bis 2022 flossen Fördermittel aus einem Bundesprogramm für Denkmäler von nationaler Bedeutung in die Restaurierung der Wunderblutkirche, die vom Land Brandenburg und der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) zu je einem Drittel kofinanziert wurden. „Die Schäden am Gebäude waren aber so groß, dass die Mittel, die für die Innen- und Außensanierung geplant waren, nur für Außen reichten“, sagt die Pfarrerin.

Tauben in der Kirche

Als Besucher hört man davon mehr, als dass man es sieht: Die einst vom Absturz bedrohten Glocken läuten wieder. Das Dach wurde völlig erneuert, während der Bauar­beiten stand es offen, Tauben flogen durch die Kirche. Ein Seitenfenster mit niederländischer Glaskunst aus dem Mittelalter drohte, wie sich bei den Bauarbeiten zeigte, in sich zusammenzufallen. Es musste darum von Grund auf saniert werden, was viel Geld verschlang.

Der Blick an die Kirchendecke
Der Blick an die KirchendeckeWolfgang Guelcker

Zwei weitere Vorhaben will die Gemeinde mit finanzieller Unterstützung durch Sparkassenstiftungen angehen. In der Wunderblut­kapelle, jenem Kirchenflügel, in dem im Mittelalter die Hostien aufbewahrt wurden, gestaltet zum einen die Künstlerin Leiko Ikemura aus Berlin zurzeit neue Fenster. Die Glasmalerei passt in die historische Umgebung. „Ich finde es wichtig, dass das historische Gebäude damit einen Daumenabdruck aus unserer Generation erhält, etwas, was die Kirche weit über unsere Zeit hinaus prägen wird“, sagt Anna Trapp. Am Pfingstmontag werden die Glasfenster in Anwesenheit von Bischof Christian Stäblein eingeweiht.

Touristen pilgern wieder nach Bad Wilsnack

Zum anderen soll die derzeit nicht nutzbare Sakristei wieder instandgesetzt werden. Pfarrerin Trapp hofft, dass dort ein Ort geschaffen werden kann, in dem sich Besucherinnen und Besucher auch mal in einem leicht temperierten Raum treffen können. Denn die riesige Kirche sei fast immer bitterkalt und nicht heizbar. „Wer uns besucht, muss sich warm anziehen.“

Die mehr als sieben Jahre dauernden Sanierungsarbeiten haben den Gemeindekirchenrat stark ­beansprucht. Er musste die Fördermittel beantragen, mit den Firmen verhandeln und die Arbeiten so ­koordinieren, dass die Orgel ein­gehaust, also umhüllt wird, wenn Baustaub zu befürchten ist. „Das zehrt und konzentrierte unsere Kräfte auf dieses Thema“, sagt Anna Trapp. Die Männer, die das stemmten, waren keine Fachleute vom Bau, „aber sie waren mit Herzblut dabei“.

Da ist die Pfarrerin bei einem Thema, das ihr am Herzen liegt: „Ob eine Kirche in der EKBO saniert wird, hängt davon ab, ob eine Gemeinde zufällig Leute hat, die das ehrenamtlich auf sich nehmen. Das kann nicht sein.“ Sie berichtet von der Kirche in Groß Werzin unweit von Bad Wilsnack mit einer historischen Gruftanlage. Dort gibt es gerade noch 13 Gemeindeglieder. Die Sanierung übersteige ihre Kräfte. Somit wird nichts zum Erhalt der Gräber getan.

Für wen erhält man die Kirchgebäude?

Dass es auch anders geht, zeige, so Pfarrerin Trapp, der nahe Dom in Havelberg. Auch dieser Sakralbau profitierte im Mittelalter vom Pilger­tourismus. Er wurde kürzlich prächtig saniert, beherbergt ein Heimatmuseum. Der Dom steht nur 21 Kilometer von Bad Wilsnack ­entfernt, liegt aber schon in Sachsen-Anhalt. Dort koordiniere die Kulturstiftung Sachsen-Anhalt die Arbeit an dem Haus. Das wünscht sich Anna Trapp auch für Brandenburg. „Hier müssen Staat und ­Kirche enger zusammen­arbeiten.“

Denn es stellt sich die Frage: Für wen eigentlich erhält man in der Prignitz, einer dünn besiedelten ­Region mit immer weniger Kirchgängern, die historisch wertvollen Kirchgebäude? Für die 500 Mitglieder zählende Gemeinde in Bad Wilsnack? Für den Ort, der das Gebäude schon als Wahllokal oder Versammlungsstätte für politische Debatten, Konzerte und eine Impfaktion nutzte, wenn es dafür nicht zu kalt war? Oder für die Touristinnen und Touristen, die seit der Jahrtausendwende wieder in kleiner Zahl nach Bad Wilsnack pilgern.

Pfingstmontag, 29. Mai, um 15 Uhr: Einweihung der neu gestalteten Glasfenster in der Wunderblutkapelle in Anwesenheit der Künstlerin Leiko Ikemura. Laudatio von Bischof ­Christian Stäblein. Wunderblutkirche St. Nicolai Bad Wilsnack, Große Straße 55, 19336 Bad Wilsnack, www.wunderblutkirche.de