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Autorin: Seltene Krankheiten zeigen Unkontrollierbarkeit des Lebens

Nicht erst seit Long Covid leben vier Millionen Menschen hierzulande, die an einer seltenen und zumeist unzureichend erforschten Krankheit leiden. Mercedes Lauenstein hat darüber jetzt einen Roman geschrieben.

Eine seltene Erkrankung zu haben, bei der keiner genau weiß, worum es sich handelt und gegen die noch kein Mittel gefunden wurde: Für Schriftstellerin Mercedes Lauenstein ist das in ihrem jetzt erschienen Roman “Zuschauen und Winken” auch eine Metapher für die grundsätzliche Ungewissheit, der Menschen in ihrem Leben ausgesetzt sind. “Der Glaube, alles kontrollieren zu können, kollidiert ja täglich mit der Realität”, sagte die Autorin am Donnerstag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Berlin.

In ihrem Buch schildert die 36-Jährige Leben und Beziehung eines jungen Paares, das unter der schweren Krankheit des Mannes leidet und damit zurechtkommen muss, dass es weder Diagnose noch Heilung gibt. Das Buch sei keine Autobiografie, sagt Lauenstein. Allerdings sei ihr das Thema Krankheit im eigenen Leben und im Umfeld immer wieder begegnet – und zwar schon lange vor Corona. “Ich wollte erforschen, wie man dem Unerwünschten des Lebens begegnen kann. Wie man aushält, was man glaubt, nicht aushalten zu können.” Der internationale “Rare Disease Day” (Tag der seltenen Erkrankungen) wird am letzten Tag im Februar begangen; in diesem Jahr am (morgigen) 28. Februar.

Es gebe einen Zeitgeist, “der glaubt, für jedes Problem finde sich eine Lösung”, sagte die Autorin weiter. “Alles soll gut sein, klar und eindeutig. Aber das Leben ist so nicht. Man muss, ob man will oder nicht, zurückfinden zur Demut.”

Die Herausforderung sei, trotzdem nicht aufzugeben: “Es gibt eine ganz feine Linie zwischen Akzeptanz und Resignation”, so Lauenstein. “An der muss man sich bewegen, sich wie die Stoiker fragen: Was liegt im Bereich meiner Einflussnahme und was nicht?” Wichtig sei auch, sich von der Idee zu befreien, man sei Schuld an einer eigenen Erkrankung: “Es ist alles eine große Lotterie.”

Grundsätzlich wünsche sie sich einen wacheren Umgang der Gesellschaft mit Krankheit und Siechtum. In ihrem Buch beschreibt sie auch eine zunehmende Isolierung des betroffenen Paares. “Die Krankheiten anderer, insbesondere junger Menschen, sind für viele so furchteinflößend, dass sie sich lieber abwenden oder es besser ertragen, das Leid der Betroffenen zu psychologisieren. Die Leute werden nicht gern an ihre eigene Verletzlichkeit erinnert”, so Lauenstein.

Der Tag der seltenen Krankheiten wurde in Europa erstmals 2008 begangen. Schätzungsweise 300 Millionen Menschen weltweit leiden demnach an solchen seltenen Krankheiten. Drei Viertel dieser Krankheiten sind genetisch bedingt. Andere entwickeln sich als Folge von Infektionen, Allergien und umweltbedingten Ursachen.

Eine Krankheit zählt nach offizieller Definition dann als selten, wenn nicht mehr als fünf unter 10.000 Menschen von ihr betroffen sind. Seltene Erkrankungen gelten als die “Waisen der Medizin”: wenig erforscht, schwer zu diagnostizieren und – wenn überhaupt – aufwendig zu therapieren.