Autorin Rostalski fürchtet um offenen Diskurs in Deutschland

Eine mögliche Verbannung von Diskursen in Hinterzimmer hält Frauke Rostalski für besorgniserregend. Aus ihrer Sicht kann das öffentliche Gespräch Positionen, die nicht überzeugend sind, eher entlarven.

Die Autorin Frauke Rostalski sieht den offenen Diskurs in Deutschland bedroht. „Viele Menschen neigen mittlerweile dazu, dass sie ihren moralischen Standpunkt, sei es zum Krieg, sei es zum Klima, so sehr aufladen, dass sie ihn zu einem Teil ihrer Persönlichkeit machen. Wenn dagegen dann jemand argumentiert, wird es nicht mehr als sachbezogen interpretiert, sondern als direkter Angriff auf die eigene Person“, sagte die Juristin im Interview der „Welt“ (Mittwoch). Damit sei man sofort auf der Gefühlsebene und könne auch nur noch auf dieser Ebene antworten. „Und das ist ein Problem, weil dadurch der Diskurs verweigert wird.“

Rostalski, Mitglied im Deutschen Ethikrat und Autorin des Buches „Die vulnerable Gesellschaft“, sagte, sie empfinde es als problematisch, Diskurse, Personen oder Argumente abzuschneiden: „weil wir damit in die Herzkammer unserer Demokratie eingreifen. Und das ist der offene Diskurs.“ In Gesprächen kämen Menschen mit unterschiedlichen Vorstellungen zusammen, was manchmal eine Zumutung sein könne und weh tue. „Wenn wir das nicht tun, leiden irgendwann die Ergebnisse, die wir erzielen, weil möglicherweise Perspektiven außer Blick geraten, die wir berücksichtigen sollten.“

Solange man sich im Rahmen von Gesetzen bewege, gebe es keine demokratiegefährdenden Diskurse. Auf die Frage, ob man auch Menschen eine Bühne bieten müsste, die die Demokratie abschaffen wollten, sagte Rostalski: „Der Wille, die Demokratie abzuschaffen, müsste ja erst einmal Anklang finden bei denjenigen, die das zu hören bekommen. Und gerade dafür ist der Diskurs gemacht, um zu entlarven, dass das eine Position ist, die nicht überzeugt.“ Sie mache sich eher Sorgen hinsichtlich „möglicher Trotzreaktionen und auch hinsichtlich der Verbannung von Diskursen ins Hinterzimmer, in denen sich dann niemand mehr guten Argumenten stellen muss, die andere vielleicht hätten“.