Autorin: Psychose oder manische Zustände können jeden treffen
Was haben Mozart, Picasso und Sylvia Plath gemeinsam? Aus heutiger Sicht waren sie wohl alle von psychischen Erkrankungen betroffen. Eine Expertin warnt vor Verklärung – und vor weiteren Missverständnissen.
Ein “schiefes Bild” von schweren psychischen Erkrankungen kritisiert die Sachbuchautorin Lea De Gregorio. “Wir teilen Menschen automatisch in Gruppen ein und schließen vom Teil aufs Ganze”, sagte sie in einem Interview der “Welt” (Donnerstag). Ein Beispiel: “Wenn man zum ersten Mal von einer Diagnose im kriminellen Kontext hört und dann irgendwann eine Person mit dieser Diagnose trifft, geht man direkt davon aus, dass diese Person dann auch genauso gefährlich ist.”
Dies betreffe etwa Psychosen, über die meist im Zusammenhang mit Straftaten berichtet werde. Jenseits davon wüssten die Menschen wenig über diese Art von Erkrankungen. De Gregorio verwies auf eine Studie, derzufolge die Ablehnung gegenüber Betroffenen gestiegen sei, “nachdem zuvor von einem Attentat durch eine Frau mit einer paranoiden Psychose berichtet wurde”.
Ihrer Ansicht nach werde die Rolle der Gene bei der Entstehung von psychischen Erkrankungen zu stark betont. “Dabei kann es jedem passieren, dass man verrückt wird”, so die Autorin, deren Sachbuch über ihre eigenen Aufenthalte in einer Psychiatrie im Frühjahr erschienen ist.
Viele Menschen fühlten sich im Kontakt mit Betroffenen überfordert und hätten das Gefühl, sie müssten diese Person anders behandeln. Es gebe inzwischen viele Betroffenen- und Erfahrungsgruppen; dies finde jedoch in der Öffentlichkeit und in der medialen Berichterstattung wenig Beachtung, sagte De Gregorio. Mitunter würden Betroffene auch als Genies verklärt: “Die Verherrlichung und Romantisierung sind genauso problematisch wie die Abwertung”, auch wenn verschiedene berühmte Dichterinnen, Musiker oder Maler von psychischen Leiden betroffen gewesen seien.
Den Begriff “verrückt” nutze sie bewusst, fügte die Expertin hinzu. Er mache die “Wahrnehmungs-Verrückung in diesen Zuständen deutlich” und problematisiere zugleich den Begriff “krank”. Ursprünglich bezeichneten beide Worte, ebenso wie “wahnsinnig” oder “gestört”, jene Zustände, “die im medizinischen Sinne als Psychose oder Manie gelten. Sie werden aber sehr oft in anderen Situationen verwendet, was Ungenauigkeit erzeugt.” Sie finde es schön, nach treffenderen Alternativen zu suchen.