Autokinos – große Leinwand, kuschelige Atmosphäre

Hollywood durch die Windschutzscheibe: Vor 90 Jahren eröffnete in den US das weltweit erste Autokino. In Deutschland erleben Autokinos in der Pandemie einen Boom – der aber nur kurz währt.

Zweisamkeit, wo man auch hinschaut in Deutschlands ältestem Autokino in Gravenbruch bei Frankfurt
Zweisamkeit, wo man auch hinschaut in Deutschlands ältestem Autokino in Gravenbruch bei FrankfurtImago / epd

Sie sind schon 90 Jahre alt und erlebten während der Pandemie ein unerwartetes Comeback: Es waren die Autokinos, durch die das Lichtspieltheater und seine Idee des gemeinsamen Sehens überdauert haben. Die Corona-Lockdowns seit Anfang 2020 bedeuteten wahrscheinlich die schlimmste Krise, mit der die Kinos jemals konfrontiert wurden. Monatelange Schließungen, keine Besucher, keine Einnahmen. Rund 20 Autokinos gab es in Deutschland vor der Pandemie, aber schon Anfang April 2020 eröffneten die ersten neu, unter strengen, teils aberwitzigen Behördenauflagen. Betrieben von Kinobesitzern, aber auch Eventfirmen, spielten in der Pandemie rund 500 Autokinos in Deutschland, mit großen und kleineren Leinwänden, auf Parkplätzen und Wiesen.

Auch das erste Autokino in Deutschland verdankte seine Eröffnung einer Krise: Als es 1960 in Gravenbruch bei Frankfurt am Main eröffnete, litt das Kino, nicht zuletzt bedingt durch das neue Medium Fernsehen, unter Besucherschwund – und die überdimensionale Leinwand sollte die Menschen wieder von der Mattscheibe weglocken.

Versprechen auf Erotik

Die Leinwand unter freiem Himmel hatte noch unter einem anderen Aspekt ihre Anziehungskraft: Das Kino war immer auch ein Versprechen auf Erotik und Sinnlichkeit. Auf der Leinwand, das ist klar, aber auch davor. Wahrscheinlich haben früher ganze Generationen von Teenagern ihre ersten erotischen Erfahrungen während einer Kinovorführung gemacht. Nicht umsonst waren die prüden 50er Jahre die Hoch-Zeit des Autokinos. Allein in den USA hat es 4.000 gegeben, und die Kinobesitzer haben die Stellplätze in der letzten Reihe, die sogenannten Love Lane, gegen Aufpreis verkauft.

Aber das Autokino ist älter: Am 6. Juni 1933, vor 90 Jahren, eröffnete in den USA Richard Hollingshead sein „Camden Drive-In Theatre“ an der Peripherie seiner Heimatstadt Camden, New Jersey, mit dem heute vergessenen Film „Wife Aware“. 25 Cent kostete die Karte. Hollingshead hatte damals noch ein anderes Zielpublikum im Sinn: „Die ganze Familie ist willkommen, egal wie laut die Kinder sind“, soll sein Werbeslogan gelautet haben.

Während der Pandemie waren Autokinos wieder angesagt, wie hier im Juni 2021 in Berlin
Während der Pandemie waren Autokinos wieder angesagt, wie hier im Juni 2021 in BerlinImago / Stefan Zeitz

Seit Ende der 1920er Jahre hatte Hollingshead, Angestellter im Autozubehörgeschäft seines Vaters, mit Vorführtechnik experimentiert. Er erfand unter anderem Rampen, auf die die Autos fahren konnten, um eine bessere Sicht zu haben. Am 16. Mai 1933 ließ er sich die Idee seines „drive-in cinemas“ patentieren. Das Camden Drive-In bot 335 Fahrzeugen Platz, als Leinwand fungierte eine geweißte Mauer, und die Beschallung erfolgte über drei große Lautsprecher, sodass der Ton noch Meilen entfernt zu hören war. Später legte man Lautsprecher in den Innenraum. Und im Winter kleine Heizlüfter.

Die Autokino-Idee setzte sich zunächst nur langsam durch: 1942 gab es gerade mal 100 Drive-In-Kinos. Hinzukommen musste neben den Verlockungen des Kinos selbst noch ein weiteres Versprechen: das auf grenzenlose Mobilität. Der Autokult trieb in den USA die seltsamsten Blüten, und viele davon sind nach Europa geschwappt: das Drive-In Restaurant oder der Autoschalter an den Banken. Das verrückteste Autokino gab es in Asbury Park, ebenfalls in New Jersey: Das „Drive-In and Fly-In“ bot Platz für 500 Autos – und 25 Flugzeuge, die auf einem angeschlossenen Flugfeld landen und sich in die letzte Reihe stellen konnten.

Mit Verspätung nach Europa

Nach Europa kam das Autokino mit Verspätung. Das vor rund 63 Jahren eröffnete Kino in Gravenbruch war das erste Drive-In-Kino auf dem Kontinent, und es existiert noch heute. Die Nähe zur Großstadt Frankfurt dürfte für die Standortwahl entscheidend gewesen sein, galt die Main-Metropole damals doch als eine der autogerechtesten Städte der Bundesrepublik. Und es waren viele US-GIs im Rhein-Main-Gebiet stationiert. Nicht nur für sie importierten die Autokinos auch die Fast-Food-Küche und servierten in ihren Imbissen Hamburger, lange, bevor sich die Kettenrestaurants in Europa ausbreiteten.

Die kurze, aber heftige neue Autokino-Welle der Pandemie-Zeit ist schnell abgeebbt, für 2021 listet die Seite „statista.de“ noch lediglich 24 in Deutschland auf. Aber die Autokinos haben ihren Teil dazu beigetragen, dass im Kino heute wieder einigermaßen Normalität eingekehrt ist. Für sie bleiben nach der Pandemie ihre eigenen, speziellen Probleme: etwa, dass die Sicht in den modernen Autos immer schlechter wird. Oder dass die Automatik das Autoradio, über das der Ton kommt, nach einer Viertelstunde einfach abstellt. Aber keine Angst, die Autokino-Betreiber halten dafür Transistorradios bereit.