Austausch auf Augenhöhe

Das Südafrika Forum NRW will neue Wege der internationalen Zusammenarbeit gehen

„Es ist wie ein Wunder! Ein neuer Pass in nur sechs Wochen – normalerweise dauert es in Südafrika  Monate, bis der Antrag auf Reisepapiere bearbeitet wird.“ Tana Makgoka strahlt in die Skype-Kamera ihres Laptops. Im Mai wird die junge Frau für zwei Monate beim Amt für Mission, Ökumene und kirchliche Weltverantwortung (MÖWe) der westfälischen Kirche in Dortmund mit dem dort ansässigen Südafrika Forum NRW zusammenarbeiten (siehe Kasten). Es ist ihr erster Aufenthalt in Deutschland, in Europa überhaupt.
Die 30-Jährige leitet die Nichtregierungsorganisation RuHEAL –  Organisation for Rural Health, Environment and Livelyhood. Die setzt sich vor allem für die nachhaltige Entwicklung kleinerer Dorfgemeinschaften ein und fordert für sie einen gerechten Zugang zu Bildung und Ausbildung, Gesundheitsversorgung sowie eine verlässliche Versorgung mit Energie und Trinkwasser.
Keine leichte Aufgabe in einem Teil Südafrikas, das sich vom landwirtschaftlichen Herzstück des Landes immer mehr zu einer riesigen Kohlemine wandelt. Die Provinz Mpumalanga – bekannt durch das Wildreservat Krueger Nationalpark – verändert ihr Gesicht zunehmend: Immer neue Minen werden abgetäuft und der zu Tage gebrachte Abraum und die geförderte Kohle prägen das Landschaftsbild. Auf der Fahrt von Johannesburg nach Mbombela/Nelspruit zogen bereits vor Jahren die gelblichen Schwaden der Kühlwolke aus den Kohlekraftwerken den Horizont entlang. Mittlerweile reichen die vom Steinkohlebergbau überformten Flächen bis an die Nationalstraße N 4 heran.
Tana Makgoka und ihre Organisation sind Teil des Mpumalanga Environmental Youth Networks. Diese jungen Initiativen arbeiten seit gut einem Jahr an gemeinsamen  Strategien, um den Herausforderungen ihrer Lebenswelt zu begegnen. Neben den Einflüssen des Bergbaus steht Mpumalanga vor dem Problem, dass zunehmend Fläche in Plantagen und somit in Monokulturen zur Papierproduktion umgewandelt wird – damit einher gehen Luft- und Wasserverschmutzung sowie auch ein deutlicher Rückgang der biologischen Vielfalt.

Interaktive Internet-Plattform als Brücke

Dem jungen Netzwerk geht es vor allem um den Umwelt- und Naturschutz in ihrem Land und um Bildung für nachhaltige Entwicklung für die Menschen vor Ort. Seine Mitglieder fordern erneuerbare Energien als dringend notwendige Alternative, die Schaffung neuer, vom Bergbau unabhängiger  Arbeitsplätze und sie nutzen Kunst und Kultur als ihr Sprachrohr. Ein Aufruf zum Energiesparen auf einem ihrer Workshops im vergangenen Jahr wurde etwa spontan als „Rap“ präsentiert.
Nach wie vor besteht ein großes Interesse am internationalen Austausch. „Wir brauchen internationale Lösungen und Strategien, damit wir die nachhaltigen Entwicklungsziele bis zum Jahr 2030 erreichen können. Und diese müssen die Industrie­staaten gemeinsam mit uns in den Ländern des Südens erarbeiten und ebenfalls ihren Teil für eine nachhaltige Zukunft beitragen“, sagt Tana Makgoka und zitiert das immer noch hochaktuelle „Nothing about us, without us!“(„Nichts über uns ohne uns!“). Es sei an der Zeit, „um die viel beschworene Augenhöhe in der internationalen Zusammenarbeit in die Realität umzusetzen“.  
Für ihre Zeit in Deutschland hat sie schon einige Ideen: So plant sie gemeinsam mit der Fachstelle Südafrika die Entwicklung einer interaktiven Internet-Plattform, um den Austausch von Wissen und Erfahrungen über die Brücke zwischen der Regenbogennation und Nordrhein-Westfalen lebendig zu halten.
Nordrhein-Westfalen hat viel Erfahrung, was den Rückbau des Ruhr-Bergbaus und den Strukturwandel angeht. Dennoch gibt es auch hier im Jahr 2017 – kurz vor Schließung der letzten Zeche im Revier – weiterhin offene Fragen wie etwa die des Einsatzes alternativer Energien oder die betreffend die Folgen von Bergschäden. Es besteht also Gelegenheit, die Erfahrungen aus Deutschland in die Diskussion einzubringen und dabei ebenso von Ideen und Initiativen der südafrikanischen Akteure zu lernen. So kann die Umsetzung des Ziels „Saubere Energien“ in NRW doch nicht bedeuten, dass der Himmel über der Ruhr zwar wieder blau ist, dafür jedoch die Menschen in den Abbauregionen der Rohstoffe unter unwürdigen Lebens- und Arbeitsbedingungen leiden. Es geht bei den neuen nachhaltigen Entwicklungszielen folglich auch um die Beiträge der Länder des Nordens.
Anfang Juni soll darüber auch auf einer Tagung zum Thema „Rohstoffe und Energie in Südafrika – Menschenrechtsverantwortung in Deutschland“ in Bonn diskutiert werden. Zu dieser Zeit wird ein Vertreter einer Nichtregierungsorganisation aus Kolumbien beim Eine Welt Netz NRW in Düsseldorf seinen Friedensdienst „Reverse“ leisten und damit eine weitere Stimme eines Kohle exportierenden Landes einbringen – vielleicht der Anfang einer neuen Süd-Süd-Nord-Zusammenarbeit.
„Ich freue mich auf die weitere Vernetzung mit NRW und auf die verstärkte Zusammenarbeit mit andern international ausgerichteten Organisationen“, sagt Tana Makgoka, die ihren Abflug von Johannesburg nach Düsseldorf kaum noch erwarten kann. Auch wenn ihr als Mutter zweier kleiner Kinder der Abschied auf Zeit nicht leicht fällt.
„Doch im Jahr 2030 werde ich mir – werden wir uns – vielleicht von ihnen die Frage stellen lassen müssen, was wir für die Umsetzung der nachhaltigen Entwicklunsgziele getan haben. Dann will ich ihnen keine Antwort schuldig bleiben.“

Diplom-Geographin Vera Dwors arbeitet als Fachpromoto­rin Südafrika/Südafrika Forum NRW beim Amt für Mission,Ökumene und kirchliche Weltverantwortung (MÖWe).