Ausstellung zeigt das “Urbild der Großmutter in der Küche”
Die Großmutter steht am Herd und kocht. Diese Erinnerung an das „Urbild“ einer Großmutter erwacht in der aktuellen Sonderausstellung „In Her Kitchen“ (10. November 2024 bis 6. Juli 2025) der Reiss-Engelhorn-Museen (rem) in Mannheim. Die Ausstellung ergänze das Themenjahr zu „Essen und Trinken“, sagte Museumsdirektorin Eva-Maria Günther am Donnerstag.
„In Her Kitchen“ zeigt 58 großformatige Nachdrucke von Fotografien des italienischen Fotografen Gabriele Galimberti (geb. 1977) mit Großmüttern in ihrer Küche. Die Serie entstand 2011/2012 als eine Art Nebenprodukt einer Reportage über das „Couchsurfing“.
Der mit dem World Press Photo Award 2021 ausgezeichnete Fotograf aus der Toskana bereiste hierfür 46 Länder. Als neugieriger und hungriger „Enkel für einen Tag“ lernte er nicht nur Lieblingsgerichte von Großmüttern aus aller Welt kennen. Er erfuhr auch viel über persönliche Lebensgeschichten und die ganz individuelle Annäherung der Frauen ans Kochen.
„Mich hat beeindruckt, wie vielfältig Küche sein kann“, sagte die Kuratorin der Ausstellung, Stephanie Herrmann, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Küche sei mehr als die hierzulande bekannte „Einbauküche mit Unterschränken und einem Thermomix“, so Herrmann. Hinter den Grenzen von Europa gebe es Küchen und Zubereitungsarten von Speisen, die ihr Bild von der Küche verändert hätten.
Die Fotografie von der Großmutter in Thailand etwa zeigt eine Bambushütte mit Töpfen an den Wänden, die Großmutter sitzt im Schneidersitz am Boden inmitten der akkurat angeordneten Zutaten. Der Sinn fürs Geometrische kennzeichne die „typische Handschrift“ Galimbertis, erläuterte die Kuratorin die stets gleiche Darstellung auf den Porträts.
Die leuchtend farbig-expressiven Fotografien sind jeweils als Bilderpaar ausgestellt. Eine Aufnahme zeigt die Großmutter in ihrer heimischen Küche oder in ihrem Esszimmer mit den Zutaten: Eier, kleingeschnittener Fisch, Gemüse. Das zweite Bild setzt das fertige Gericht in Nahaufnahme in Szene. Ein kurzer Kommentar der Großmutter beleuchtet ihr Leben und ihre persönliche Einstellung zum Kochen.
Diese sei für das Selbstverständnis einer europäischen, berufstätigen Frau zuweilen „befremdlich“, sagte Herrmann. Etwa wenn eine Großmutter angibt, nach der Heirat ihren Platz in der Küche am Herd gesehen zu haben und sich um die Familie zu kümmern. Auf diese Rolle in der Familie geht nicht zuletzt „In Her Kitchen“ zurück.
Die Ausstellung, in der keine kochenden Großväter zu sehen sind, beruht auf der persönlichen Verbundenheit des Fotografen mit seiner „Nonna“. Die Frau, die in ihrem Leben nie gereist war, habe sich Sorgen gemacht, was der Enkel wohl essen werde und wer für ihn koche, wenn er fast zwei Jahre auf Reportagereise ginge – so erzählt es Galimberti. Er versprach ihr, auf der Reise, Großmütter aufzusuchen, die für ihn kochen würden.
Die eigene Großmutter war somit die Keimzelle des Fotoprojektes. Ein Originalfoto der „Nonna“ mit dem damals einjährigen Enkel Gabriele auf dem Arm bildet den Ausgangspunkt für den Rundgang. Von der Vorspeise, den Antipasti über den Hauptgang bis zum Dessert und dem abschließenden Kaffee der kolumbianischen Großmutter mutet die Präsentation an wie ein Menü.
Fürs Auge interessant sind nicht nur das Hauptmotiv – die Großmutter und ihre Zutaten fürs Essen – sondern auch die Ausstattung der Räume: viele Bilder an den Wänden zeigen die Familie, die Enkel, es gibt Jesusbilder oder auch einen Blick auf das nicht gespülte Geschirr, das sich in der Spüle stapelt. Die Bilder strahlen somit in bestem Sinn Wärme, Familiensinn und Gastfreundschaft aus, eingefangen von der Kamera eines kochbegeisterten Fotografen. Die Gerichte der Großmütter seien „Zeitkapseln“, ist sich Herrmann sicher. Sie seien Heimat, kulturelle Identität und Liebe zugleich, sagte die Kuratorin. (2506/07.11.2024)