Etwa 1.000 Gemeindeglieder gehören zur deutschsprachigen Gemeinde in Kopenhagen. Hauptsächlich aus Seeland, der größten Insel der Ostsee, auf der auch die dänische Hauptstadt liegt, kommen die Menschen in die Kirche Sankt Petri, um wie in der Heimat Gottesdienst zu feiern. Jetzt vor Weihnachten ist der Trubel wie in Deutschland groß, erzählt die Hauptpastorin Christiane Stahlmann im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Doch einige Unterschiede gebe es schon.
epd: Frau Stahlmann, im August sind Sie aus dem mittelfränkischen Bubenreuth nach Kopenhagen gezogen, um dort für die evangelische Kirche in Deutschland als Auslandspfarrerin zu arbeiten. Wie sind Sie angekommen?
Christiane Stahlmann: Mehr und mehr. Man merkt immer, wenn man in einer Gemeinde neu startet, dass es ein lebendiger Organismus ist. Bis man ganz reinfindet, dauert es schon ein Jahr. Im Herbst habe ich schon viel miterlebt und jetzt stecken wir mitten im Advent, mit einem ganz klaren Blick auf Weihnachten.
epd: Wie ist Ihre Kirchengemeinde aufgebaut?
Stahlmann: Wir sind die zweitälteste Auslandsgemeinde der evangelischen Kirche in Deutschland auf der Welt. Dieses Jahr sind wir 450 Jahre alt geworden. Seit über 400 Jahren sind wir genau in dieser Kirche, in Sankt Petri. Wir sind aber nicht nur eine deutschsprachige Auslandsgemeinde, wir sind auch ganz offiziell Teil der Dänischen Volkskirche. Das wird zum Beispiel dadurch deutlich, dass unsere Gottesdienste auf Deutsch sind, ich aber den dänischen Talar mit Halskrause trage. So sind wir eine Brücke zwischen Deutschland und Dänemark.
epd: Wie zeigt sich das jetzt in der Vorweihnachtszeit? Haben Sie sich dem dänischen Lebensgefühl angepasst oder ist die Hygge-Mentalität eher ein Klischee?
Stahlmann: Natürlich ist es ein Klischee, aber es steckt auch viel Wahres darin. Was ich sehr ungewöhnlich fand, ist, dass hier die Weihnachtszeit am 2. November beginnt. Am 31. Oktober ist Halloween mit Kürbissen, Gespenstern und Hexen. Dann kommt der 1. November, der Allerheiligentag, der auch hier in der dänischen evangelischen Kirche wichtig für das Gedenken an die Verstorbenen ist. Und wenn man dann am 2. November zum Bäcker geht, ist alles voller Tannenzweige, Lichter, Engel und Weihnachtsgebäck. „Julepynt“ ist das dänische Wort für Weihnachtsschmuck und das kennt dann kein Halten mehr. Dann werden die Weihnachtsbäume aufgestellt und die Weihnachtsmärkte eröffnet. Es dudelt „Last Christmas“, es gibt Glögg und überall tauchen die Weihnachtswichtel Julenisse auf. Hier in Kopenhagen ist es im Prinzip seit Anfang November kurz vor Heiligabend. Für jemanden, der aus dem evangelischen Franken kommt, wo vor dem Totensonntag kein Weihnachtsmarkt startet, ist das wirklich sehr verblüffend.
epd: Schwappt das Weihnachtsfieber auch in die deutschsprachige Gemeinde?
Stahlmann: Die ist dann doch eher ein bisschen der Ort der deutschen Tradition. Bei uns gibt es den Weihnachtsbaum wirklich erst an Weihnachten. Jetzt gibt es den Adventskranz und das langsame Warten auf Weihnachten. Damit man auch noch was drauflegen kann. Denn am 3. November dachte ich mir hier schon: Was soll da eigentlich am 24. Dezember noch kommen? Aber es ist natürlich auch wunderschön, vor allem weil es hier nach der Zeitumstellung sehr früh dunkel wird. In Kopenhagen sind die Schiffe im Hafen ganz toll beleuchtet. Das Wasser spielt hier in der Stadt für Advent und Weihnachten eine große Rolle. Am 13. Dezember, zum Lucia-Fest, gab es eine große Prozession auf dem Wasser mit geschmückten Kajaks.
epd: Ist Ihre Gemeinde in dem ganzen Weihnachtstrubel eine Art Ruheort?
Stahlmann: Ja, das merke ich zurzeit besonders. Wir sind auch wahnsinnig Heimat für die Menschen aus Deutschland. Bei uns werden die deutschen Advents- und Weihnachtslieder gesungen. Am 4. Advent machen wir einen Sing-Gottesdienst ganz bewusst auch für alle, die an Weihnachten in Deutschland sind oder bei der dänischen Verwandtschaft ihrer Partnerinnen und Partner. Weil Musik etwas ganz Heimatliches und Verbindendes ist. In jedem Gottesdienst haben wir aber auch ein dänisches Lied dabei. Es gibt einige unserer Lieder auch auf Dänisch, da singen wir dann die Strophen abwechselnd.
epd: Wie sieht es an Weihnachten in der Kirche bei Ihnen aus, wenn viele Menschen gar nicht da sind?
Stahlmann: Mir wurde gesagt, dass die Kirche trotzdem voll sein wird mit all denen, die sonst vielleicht nicht so oft in die Kirche gehen. Es gibt ja sehr viele deutschsprachige Menschen in Kopenhagen, die nicht Mitglieder in unserer Gemeinde sind. An Heiligabend kommen sie dann aber, auch wegen des Krippenspiels, der deutschen Weihnachtslieder und der Lesung aus dem Lukasevangelium. „Es begab sich aber zu der Zeit“ klingt halt nur auf Deutsch für uns nach Weihnachten.
epd: Gibt es Unterschiede zu den Gottesdiensten in Deutschland?
Stahlmann: Die Gottesdienste sind hier viel früher, schon um 14 und um 15 Uhr. Erstens ist es hier viel früher dunkel, und die Leute haben zum Teil weite Wege zum Gottesdienst aus den verschiedenen Ecken der Insel. Am ersten Weihnachtsfeiertag feiern wir einen Kantatengottesdienst mit viel Musik, aber nicht morgens, sondern nachmittags. Wer abends schon fast zwei Stunden nach dem Gottesdienst nach Hause gefahren ist, will am 25. Dezember nicht so früh aufstehen.
epd: Worauf freuen Sie sich am meisten bei Ihrem ersten Weihnachtsfest in Dänemark?
Stahlmann: Ich freue mich sehr, in diesem ganz anderen Kontext Weihnachten zu feiern. Ich lerne gerade mit großer Freude dänische Weihnachtslieder kennen. Und dadurch, dass ich am ersten Feiertag morgens keinen Gottesdienst habe, werde ich im Dom zu Kopenhagen zu einem ganz klassischen dänischen Weihnachtsgottesdienst gehen, darauf freue ich mich sehr. (3940/16.12.2025)