Ausländer müssen teilweise Jahre auf deutschen Pass warten

Das Ziel war klar: Ausländer, die in Deutschland leben, sollen schneller einen deutschen Pass erhalten. Doch bei der Umsetzung der Reform sehen sich die Städte vor einem Berg von Aufgaben.

Die Einbürgerungsreform der Ampelkoalition stellt die Kommunen vor enorme Herausforderungen. Wie eine Umfrage der “Welt am Sonntag” unter den 25 größten Städten zeigt, ist die Zahl der Einbürgerungsanträge binnen zwei Jahren um 50 Prozent gestiegen. Für betroffene Ausländer heißt das: Sie müssen teilweise Jahre auf einen deutschen Pass warten.

20 Kommunen nannten konkrete Zahlen. 2022 stellten demnach 81.007 Personen einen Einbürgerungsantrag. Im aktuellen Jahr waren es bereits 122.882. Sei der Einbürgerungsreform hätten sich die Antragszahlen “noch einmal deutlich gesteigert”, teilt ein Sprecher des Berliner Landesamtes für Einwanderung mit. “In der letzten Woche erreichten uns 104 Anträge im Durchschnitt an jedem Tag der Woche. Das ist eine riesige Herausforderung.”

Mit der Bearbeitung kommen die Behörden kaum hinterher. Mehr als 217.000 Anträge sind allein in 20 dieser Städte anhängig, mitunter müssen Ausländer Jahre auf einen deutschen Pass warten. So gaben mehrere Städte an, dass nach Antragstellung 18 Monate Bearbeitungszeit realistisch seien, es werden aber auch deutlich längere Zeiten genannt.

“Über acht Monate” dauere es allein bis zu einem Vorsprechtermin, heißt es in Frankfurt am Main. Dann schlössen sich 14 Monate beim Regierungspräsidium an, bis überhaupt mit der Bearbeitung begonnen werde. Bis dahin vergehen in Bremen, so heißt es dort, mitunter “mindestens 24 Monate”. Besonders herausfordernd ist die Situation in Leipzig. “Derzeit besteht eine Wartezeit von 50 Monaten bis zur Antragstellung”, sagte ein Sprecher.

Rechtlich kann das ein Problem sein. Innerhalb von drei Monaten müsse eine Reaktion der Einbürgerungsbehörde gegenüber dem Antragsteller erfolgen, teilt die Dresdner Ausländerbehörde mit Verweis auf die Verwaltungsgerichtsordnung mit. Entweder seien fehlende Unterlagen oder zu klärende Sachverhalte zu benennen – oder der Antrag sei abzulehnen, wenn die Voraussetzungen nicht vorlägen. Wenn die Frist nicht gehalten werde, eröffne das “die Möglichkeit zur Erhebung einer Untätigkeitsklage”, heißt es in Dresden, was wiederum einen zusätzlichen Arbeitsaufwand für die Verwaltungsgerichte verursache und “mit hohen Rechtskosten für die Kommunen” verbunden sei.

Hans Vorländer, Vorsitzender des Sachverständigenrats für Integration und Migration, übt Kritik am Verhalten mancher Städte. “Manche Kommunen verzögern die Annahme von Einbürgerungsanträgen, um Untätigkeitsklagen entgegenzuwirken”, sagte er der Zeitung. “Diese Klagen werden aber kommen.”

Durch die Reform gebe es “nun äußerst komplexe Rechtsreglungen, die schon für sich genommen zu längeren Verfahren führen werden”. Seit der Reform müsse zum Beispiel ein erweitertes Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung abgegeben werden. “Das muss von den Behörden umfassend nachrecherchiert und bewertet werden. Dabei ist die Unbestimmtheit der Begriffe in höchstem Maße bedenklich. Es wird sicher zu weiteren gerichtlichen Verfahren gegen ablehnende Bescheide kommen.”