Aus Gottvertrauen wächst Zuversicht
Die Geschichte von Jesu Geburt ist eine Wundergeschichte. Sie erzählt davon, wie Himmel und Erde sich berühren – und wie Menschen aus dieser Berührung gestärkt hervorgehen.
Was trauen Christinnen und Christen Gott noch zu? Wenden wir uns mit unseren Fürbitten an Gott im Gefühl, dass er uns hört, versteht und auch die Macht hat, die Mächtigen von ihren Thronen zu stürzen (Lukas 1,52)? Setzen wir unser Vertrauen auf Gott, den Schöpfer des Himmels und der Erde, der Jesus von den Toten in sein göttliches Leben hinein auferweckt hat, so dass wir mit ihm Gemeinschaft in der Feier des Abendmahls erleben können? Oder hat die Kleingläubigkeit unserer abgeklärten Gemüter und furchtsamen Kirchen „Gott“ längst auf ein menschliches Maß gestutzt?
Gott – mehr als ein Produkt der Psychologie
Ist für uns „Gott“ wirklich mehr und anderes als ein religionspsychologisch erklärbares Produkt menschlicher Poesie, das Menschen sich in ihrer jeweiligen Situation geschaffen haben, um Krisen besser zu bewältigen?
Krisen erleben wir genug, mehr als genug. Die Lage ist bitter. Die Leichtigkeit verflogen. Die Zukunftsprognosen beängstigend. Unumkehrbares Artensterben. Unumkehrbare Klimaerwärmung. Krieg, Inflation, Hunger, Krankheit, Tod – Tag für Tag. Nicht nur auf dem Bildschirm, sondern im wirklichen Leben.
„Uns geht es ja noch gut.“ Doch die Zahl derjenigen, die sich mit dem „uns“ in diesem beschwichtigenden Ausspruch identifizieren, schrumpft auch in unserem reichen Land. Der Traum vom ewigen Wachstum ist ausgeträumt.
Auch heute, inmitten unserer beschwerten Lebenswelt, hilft ein Wunder. Und die wirklich gute Nachricht ist, dass das Wunder längst geschehen ist und am eigenen Leib erlebt werden kann. Jetzt, an Weihnachten, feiern wir es, und wo immer möglich hoffentlich mit unverzagten Herzen, froh, singend, die Schwere abstreifend, uns gegenseitig das Weihnachtswunder staunend, berührt und begeistert erzählend und es so beglaubigend.
Die Weihnachtsgeschichte ist nicht nur eine wundervolle Geschichte, sie ist im Wesen eine Wundergeschichte: Sie erzählt von einem ziemlich jungen Mädchen, das schwanger wird und das selbst nicht recht weiß, wie ihr geschieht, da sie doch noch keinen Geschlechtsverkehr hatte (Lukas 1,34). Und von einem Mann, über den wir in beiden Versionen der Weihnachtsgeschichte (Lukas 2 und Matthäus 1) nur wenig erfahren. Im Matthäusevangelium ringt er, Joseph, damit, Maria heimlich fortzuschicken, weil er ein gerechter Mann ist und das schwangere Mädchen nicht bloßstellen will, wohl wissend, dass er selbst nicht der Vater sein kann (Matthäus 1,19).
Ein wunderbares Zusammenwirken
Psychologisch und soziologisch ließe sich diese Teenagerschwangerschaft auf ein menschliches Maß bringen und die Polemik kluger spätantiker Philosophen wie Kelsos oder Porphyrios hat das ebenso getan wie jüdische Polemik etwa im Talmud. Aber Matthäus und Lukas erzählen diese Geschichte voller Gottvertrauen als das wunderbare Zusammenwirken von Gott und Mensch durch den Heiligen Geist, der Himmel und Erde verbindet.
In ihren Einzelheiten sind diese beiden Versionen der Weihnachtsgeschichte höchst unterschiedlich und doch liegt ihnen ein gemeinsamer Gedanke zugrunde, nämlich die Berührung von Himmel und Erde, aus der Gottvertrauen wächst, das zuversichtlich werden lässt.
Die Poesie der später zusammengestellten Weihnachtskrippe, in der nicht nur das Matthäus- und das Lukasevangelium harmonisiert, sondern auch apokryphe Texte integriert wurden, verdichtet in eine einzige Szene, wovon die ganze Bibel erzählt: Die Machtverhältnisse sind nicht so, wie sie im Alltag der Welt erscheinen mögen. Die Verbindung von Himmel und Erde durch den Heiligen Geist enthüllt die wahren Machtverhältnisse in kosmologischer Weite.
Maria vertraut – Zacharias zweifelt
Der alte erfahrene Priester Zacharias, ein Repräsentant des religiösen Establishments, vertraut der himmlischen Botschaft des Engels nicht (Lukas 1,18). Die junge, unerfahrene Maria dagegen vertraut sich Gott an und aus ihrem Gottvertrauen erwächst Zuversicht (Lukas 1,46-55, Übersetzung Alkier, Paulsen, FNT 2).:
„Groß hält meine Seele den Herrn und es jubelte mein Geist über Gott, meinen Retter, weil er geblickt hat auf die Niedrigkeit seiner Magd. Sieh nämlich, von jetzt an werden mich reich nennen alle Generationen, weil mir Großes getan hat der Mächtige, und heilig sein Name und sein Mitgefühl für Generationen und Generationen denen, die ihn fürchten. Er übte Gewalt aus mit seinem Arm, er zerstreute die in der Gesinnung ihres Herzens Hochmütigen; er stürzte Machthaber von Thronen und erhöhte Niedrige; Hungernde füllte er mit Gütern und reich Seiende schickte er weg hinaus leer. Er nahm sich Israels, seines Kindes, an, des Mitgefühls zu gedenken, wie er redete zu unseren Vätern, zu Abraham und seinem Samen für das Zeitalter.“
Was uns die Weihnachtsgeschichte vor Augen führt, ist Gottvertrauen und das heißt Vertrauen in und auf die Macht Gottes, die alles ändern kann. Gott ist kein ferner Gott im Himmel, sondern ein naher Gott (Jeremia 23,23), der zu seinen Geschöpfen kommt und mit ihnen leben will. Er ist der Gott, der jetzt kommt, wie es die Johannesoffenbarung mit ihrer Theologie des Advents Gottes so trefflich zum Ausdruck bringt (1,4.8).
Das Vertrauen zu Gott lässt Maria zuversichtlich werden. Aus einem verunsicherten Teenager wird eine Prophetin der Zuversicht. Die Weihnachtsgeschichte sieht den Grund für Zuversicht nicht im Fürwahrhalten irgendeiner Lehre, sondern im Gottvertrauen. Was in der griechischen Bibel mit pístis zum Ausdruck gebracht wird, lässt sich im Deutschen am besten mit Vertrauen, Zuverlässigkeit und Treue nachahmen.
Biblische Texte stellen die Vertrauensfrage
Auch in den hebräischen Fassungen des Alten Testaments geht es mit dem Wortstamm ‘mn vornehmlich um Beständigkeit, Zuverlässigkeit, Treue, Redlichkeit. Insbesondere Gebete, Lieder und Psalmen handeln von diesem Vertrauen. Beim Wortstamm bth geht es ganz konkret um die Frage, worauf und auf wen wir vertrauen, uns verlassen. Biblische Texte stellen nicht die Glaubensfrage, sondern die Vertrauensfrage. Wer aber wie Maria Gott vertraut, wird zuversichtlich, nennt Missstände beim Namen und traut sich auch selbst als geliebtes Geschöpf Gottes etwas zu.
Diese aus Gottvertrauen erwachsende Zuversicht verschließt die Augen nicht vor dem Ausmaß der Schwierigkeiten und Konflikte. Biblische Zuversicht ist realistisch. Sie akzeptiert die Grenzen der eigenen Handlungsmöglichkeiten, die sie aber immer wieder neu auslotet. Ihre Stärke bezieht sie nicht aus einer optimistischen Hoffnung, dass schon irgendwie alles gut wird, sondern aus der Freude daran, mit der von Gott geschenkten Lebenskraft das Leben gestalten zu können und es besser zu machen, als es war. Sie lässt sich auch vom Scheitern nicht auf den Abweg des Pessimismus bringen, sondern versucht, stets neue Wege vom Schlechten zum Besseren zu finden.
Zuversicht ist angewiesen auf andere
Zuversicht freut sich daran, etwas zu können, ohne der Machtfantasie hinterherzujagen, selbst alles können zu müssen, alles besser zu wissen und die ganze Welt aus eigener Stärke retten zu können. Zuversicht ist darauf angewiesen, auch auf andere und anderes zu vertrauen, auf Partnerschaft, Gemeinschaft, Solidarität und darauf, dass sich die Dinge ändern lassen. Solches Vertrauen erzeugt Lebensmut, Lebenslust, Freude, anhaltende Freude, die den eigenen Körper durchdringt und ihn stärkt und beharrlich und widerstandsfähig sein lässt.
Zuversicht wächst auf zuverlässigem Grund. Sie entsteht in der Begegnung mit anderen, im Hören fremder Worte, die überzeugen und zu eigenen Worten werden. Wird die Weihnachtsgeschichte zu unserer Geschichte, so begegnen sich Himmel und Erde hier und jetzt. Das Wunder findet statt. Geben wir ihm eine Herberge!