Auf Kurs Ökumene

Als Hochburg der christlichen Zusammenarbeit gilt Bremerhaven. Das Zusammengehörigkeitsgefühl wächst, auch wenn wegen Corona viele Veranstaltungen ausfallen. Ein Modell mit Potenzial.

Am Strand von Bremerhaven feiern die christlichen Gemeinden gemeinsame Gottesdienste
Am Strand von Bremerhaven feiern die christlichen Gemeinden gemeinsame GottesdiensteJens Schulze / epd

Bremerhaven. „Eigentlich wollten wir hier wieder ein großes ökumenisches Tauffest feiern“, sagt Susanne Wendorf. Es wäre das sechste nach zehn Jahren gewesen. Doch es ist abgesagt wie viele andere kirchliche Veranstaltungen auch. Für das Miteinander der Christen in der Seestadt könnte das ein herber Rückschlag sein. „So tritt die Ökumene auf der Stelle. Es entwickelt sich nichts weiter“, bilanziert die Superintendentin von Bremerhaven die Folgen der Corona-Beschränkungen. Sie fürchtet, dass etwas verloren gehen könnte an gegenseitiger Stärkung.

Doch bei dieser entmutigenden Feststellung will es die Theologin nicht belassen. Die Ökumene sei stärker als Corona. Seit rund 20 Jahren seien die Bande zwischen den Kirchen immer fester geworden, so die 61-Jährige. „Wir haben hohen Respekt voreinander.“ Zum Ausdruck komme dies nicht nur in den jährlichen Gottesdiensten zum Weltgebetstag, sondern auch bei den gemeinsamen Gottesdiensten zu Trintitatis oder einem anderen Termin. Die einladende Gemeinde gebe die Liturgie vor, ein Vertreter einer anderen Kirche würde predigen. „Das sind Momente großer Nähe. Man spürt die gemeinsamen Wurzeln.“

Lichtblicke trotz Corona

Selbst in Zeiten von Corona gebe es Lichtblicke, sagt Wendorf, die seit fast 15 Jahren an der Spitze der lutherischen Kirche in Bremerhaven steht. Der Arbeitskreis Christlicher Kirchen treffe sich weiterhin zum Austausch und plane unverdrossen weiter. So soll erstmals Pfingstmontag ein ökumenischer Open-Air-Gottesdienst für acht Gemeinden im Norden Bremerhavens stattfinden.

Große Tauffeste werden in Bremerhaven regelmäßig gefeiert. Im August 2013 kamen 1.300 Besucher
Große Tauffeste werden in Bremerhaven regelmäßig gefeiert. Im August 2013 kamen 1.300 BesucherAlasdair Jardine / epd

Ihr Kollege Pastor Werner Keil von der reformierten Gemeinde sieht es genauso. „Zumindest auf Funktionärsebene sind die Absprachen zwischen den Kirchen enger geworden. Wir wollen mit einer Stimme sprechen, wenn wir auf Inzidenzzahlen reagieren“, so der Theologe. Diese Zusammenhalt sei durch viele gute Erfahrungen in der Vergangenheit möglich. „Wir verstehen uns auch persönlich sehr gut.“

Keil selbst plant zum Beispiel gemeinsame Online-Gottesdienste mit einer der lutherischen Nachbar­gemeinden, die viel näher gelegen ist als die nächste reformierte Gemeinde. „In meiner Prioritätenliste steht die Ökumene ganz oben. Bei meinen Vorhaben überlege ich immer, welche Partner aus der Ökumene ich ansprechen kann.“ Seine mit rund 1100 Mitgliedern vergleichsweise kleine Gemeinde profitiere davon, sagt der Pastor. Doch es liege nicht allein an den knapper werdenden Ressourcen. „Hier ist eine besondere Atmosphäre der Wertschätzung. Wenn ich davon woanders erzähle, sind immer alle überrascht.“

Pastoren weinten Freudentränen

Nach Meinung Keils ist Bremer­haven eine Modellregion der Ökumene. Trotzdem wünscht er sich noch mehr Miteinander. „Meine Hoffnung ist, dass wir die Trennung der Reformation überwinden.“

So ist auch die innerevangelische Ökumene in Bremerhaven, das zur Landeskirche Hannovers gehört, weit gekommen. Zwischen dem lutherischen Bremerhaven und der unierten Kirche in Bremen bestehen Vertretungsregelungen. Superintendentin Wendorf erinnert sich noch gut, als der Schriftführer der bremischen Kirche erstmals in der Pastorenvertretung der Lutheraner zu Gast war. „Das war ein historischer Moment. Die älteren Kollegen hatten Tränen in den Augen.“

In Bremerhaven sind alle drei EKD-Gliedkirchen vertreten, lutherisch, reformiert und uniert. Auch das ist eine Ausnahme. Doch angesichts des guten Miteinanders sei es ein Anachronismus, wenn alle evangelischen Zuzügler in einem komplizierten Verfahren nach Kirchenzugehörigkeit sortiert werden müssten, sagt Wendorf. „Eigentlich müssten wir evangelischen Kirchen noch enger zusammenkommen.“