Auf grünen Matten

Moose gehören zu den ältesten Pflanzen der Erde. Sie waren schon alt, als die ersten Saurier unterwegs waren: Vor etwa 520 Millionen Jahren entwickelten sich aus Armleuchteralgen und Grünalgen an den Küsten die ersten Moose. Sie haben die Erde für die Gefäß- und Blütenpflanzen, für Tiere und Menschen bewohnbar gemacht und alle Massensterben überlebt. Ihre Sporen verbreiten sich mit jedem Windhauch.

Im Wald sorgen sie für verwunschen-romantische Stimmung, aber in aufgeräumten Gärten und von gepflasterten Flächen werden sie meist weg-vertikutiert oder weggespritzt. Biologe und Artenschützer Michael Altmoos plädiert für einen anderen, einen sorgsamen Umgang mit den Moosen. In seinem Buch „Der Moosgarten“ klärt er über deren Geschichte und Biologie auf und gibt eine praktische Anleitung für „Moosgärtner“. Im pfälzischen Staudernheim nahe Bad Kreuznach lässt sich sein eigener Moosgarten im Sommerhalbjahr auch besichtigen, inklusive „Mitmach-Museum für Naturschutz“.

Altmoos weiß, dass ein Moosgarten mehr ist als eine märchenhafte Kulisse: „Er ist ein wichtiger Lebensraum, wenn man ihn naturnah und nicht steril anlegt“, sagt der Biologe, ein Biotop für viele Kleinstorganismen wie Springschwänze und Bärtierchen. Aber auch Asseln und Schnecken wissen Moose zu schätzen, und Meisen polstern mit ihnen ihre Nester aus.

Moose schützen den Boden vor Erosion. Sie speichern Wasser und machen hartes, kalkreiches Wasser weicher. Sie filtern die Luft und regeln das Mikroklima, indem sie aufgenommenes Wasser – Starkregen etwa – langsam verdunsten. Zudem können sie andere Pflanzen vor Krankheitserregern schützen, weil sie leicht antiseptisch wirken. In indigenen Kulturen wurden sie als Windeln und Binden genutzt.

Zu den Nachfahren US-amerikanischer Indigener zählt auch die Moosforscherin und Professorin Robin Wall Kimmerer. In ihrem Essayband „Das Sammeln von Moos“ nennt sie insgesamt 22.000 Moosarten.

Die biologische Systematik unterscheidet Lebermoose, Hornmoose und Laubmoose. Nach einer Studie in der Fachzeitschrift „Nature Geoscience“, veröffentlicht im Mai 2023, wachsen allein die Laubmoose weltweit auf einer Fläche von gut neun Millionen Quadratkilometern. Das entspricht etwa der Größe Kanadas. Wie die internationale Forschergruppe erklärt, hätten moosbewachsene Böden das Potenzial, weltweit 6,43 Milliarden Tonnen mehr Kohlenstoff zu speichern als unbewachsene Vergleichsflächen der Umgebung.

In den nördlichen Wäldern gibt es keine Vergleichsflächen: Alles ist bemoost. „Moose sind wichtige Kompartimente in Wäldern, deren Feuchtigkeit sie stark regulieren“, erklärt Altmoos. In Europa allerdings sind knapp ein Viertel aller Moosarten vom Aussterben bedroht. Zu den Ursachen zählen Klimaveränderungen, Waldbrände, Schadstoffe sowie Straßen- und Landbau.

Eine wichtige Rolle bei ihrem Schutz spielt die Renaturierung von Mooren und Binnengewässern. „In den Mooren der Welt, die überwiegend aus Torfmoosen bestehen und die etwa zwei bis drei Prozent der Erdoberfläche einnehmen, sind etwa 30 Prozent des erdgebundenen Kohlenstoffs gebunden“, erläutert Altmoos.

Auch ein naturnaher Moosgarten kann ein wenig beisteuern zu Artenvielfalt und Klimaschutz. Und, nicht zu unterschätzen: „Moose sind auch einfach schön“, sagt Altmoos. Das Frauenhaarmoos (Polytrichum formosum) kann jeden Schattengarten in eine Wichtel-Idylle verwandeln. Das Schönschnabelmoos (Eurhynchium striatum) eignet sich im Garten als Bodendecker, weil es breite Matten bildet. Und das „Teufelsgold“ (Schistostega pennata) funkelt wie ein Luchsauge im Dunkeln. Kimmerer: „Um so ein Geschenk angemessen zu erwidern, müsste man eigentlich selbst glitzern.“