Auf die Barrikaden

Mitten auf dem Wochenmarkt von Preetz geht’s um Frauenangelegenheiten. Trotz des Trubels diskutieren die Beteiligten in geschützter Atmosphäre.

Ein Team aus Kirche, Diakonie, Gleichstellungsstellen, AWO und engagierten Frauen ist regelmäßig auf dem Wochenmarkt von Preetz
Ein Team aus Kirche, Diakonie, Gleichstellungsstellen, AWO und engagierten Frauen ist regelmäßig auf dem Wochenmarkt von PreetzKay-Christian Heine

Preetz. „Frauen in Not brauchen Freundinnen, denen sie vertrauen können“, ist Diakonin Julia Jünemann überzeugt. Sie leitet das Referat Frauen, Nachhaltigkeit & Engagement des Kirchenkreises Plön-Segeberg in Preetz und fürchtete noch vor zwei Jahren, die mit der Pandemie einhergehenden Kontaktbeschränkungen könnten sich zum Nachteil vor allem von Gewalt betroffener Frauen auswirken. „Angst isoliert Frauen ohnehin“, weiß sie. Das Verbot, sich in geschützten Räumen Beratung und Hilfe zu holen, habe die Lage von Frauen, die Gewalt erfahren, noch weiter verschärft.

Was also tun? „Sich draußen zu treffen, ging und geht immer – und sei es maskiert“, sagt Annette Zacharias. Sie berät und unterstützt als Mitarbeiterin der „Arbeiterwohlfahrt (AWO) Interkulturell“ in Preetz Migrantinnen dabei, Angelegenheiten des täglichen Lebens selbstständig zu meistern. So entstand anlässlich des Internationalen Tags gegen Gewalt an Frauen und Mädchen vor zwei Jahren die Idee eines „Marktweibertischs“, den Jünemann und Zacharias seitdem zwischen März und November etwa sechsmal jährlich auf dem Preetzer Wochenmarkt aufbauen.

Ins Gespräch kommen

Das machen sie nicht etwa allein: Mitarbeiterinnen des Kieler AWO-Landesverbands wie etwa Melanie Pfeiffer und Pia Duitsmann sowie Ulrike Torges als Gleichstellungsbeauftrage der Stadt Preetz unterstützen sie am Tisch. „Nicht zu vergessen freiwillig engagierte Frauen, die mitmachen möchten“, betont Julia Jünemann, „wir sind viele.“

Mit Informationstafeln und einem bunt gestalteten Infostand werben die „Marktweiber“ darum, mit Marktbesuchern ins Gespräch zu kommen. „Und wenn wir dabei etwas aufständisch wirken, ist das kein Zufall“, sagt Julia Jünemann schmunzelnd: „Wir sehen uns in der Tradition der Marktfrauen der Französischen­ Revolution, die auf die Barrikaden gegangen sind.“ Ihr wichtigstes Ziel: „Wir nennen jene Frauenthemen beim Namen, die ganz oben auf dem Stapel liegen, und wir wollen sichtbar sein.“

„Macht euch nicht so dick!“

Gerade „ältere Herren“ „grummelten“ mitunter etwas, wenn sie das sähen – „doch am Ende habe ich mit vielen sehr interessante Gespräche geführt“, verrät Annette Zacharias lächelnd. Ihre Bitte an Männer allgemein: „Macht euch nicht so dick, nehmt euch ein wenig zurück und lasst den Frauen Raum.“

Doch bei allem Humor, der am „Marktweibertisch“ aufkommen mag, sind die hier verhandelten Themen meist ernst bis existenziell für Frauen. Jüngste Statistiken belegten, dass in Deutschland etwa alle zweieinhalb Tage eine Frau von ihrem derzeitigen oder einem früheren Lebenspartner getötet werde, sagt Julia Jünemann. Damit sei der 25. November „ein Tag, der unter die Haut geht“, beschreibt Ulrike Torges ihre Empfindungen angesichts dieser Zahl.

Premiere für Stammtisch

„Von Gewalt betroffene Frauen finden am Marktweibertisch einen geschützten Raum vor, wo sie sich anvertrauen können und konkrete, niederschwellige Hilfsangebote bekommen“, verspricht Julia Jünemann. Und: „Niemand wird zum Gespräch gedrängt, unsere Infotafeln bieten alle nötigen Informationen, ohne sich offenbaren zu müssen.“

Weil gelockerte Corona-Bestimmungen persönliche Treffen wieder möglich machen, ist nun ergänzend zum „Marktweibertisch“ der „Preetzer Frauenstammtisch“ erwachsen. Er soll erstmals am Mittwoch, 7. Dezember, von 19 bis 21 Uhr beim Preetzer AWO-Ortsverein in der Klosterstraße 9 stattfinden, um neuen Raum für Gespräche und Kontakte zu bieten.