Auf den Spuren des shakespeareschen Bösewichts
Im Jahre 2012 wurden im englischen Leicester die Überreste von König Richard III. ausgegraben, dem shakespeareschen Bösewicht des 15. Jahrhunderts. Die Ausgrabung war durch Bemühungen der Amateurhistorikerin Philippa Langley zustande gekommen. Mit „The Lost King“ wird ihre Geschichte nun verfilmt.
Richard tritt im Film bei einer Theatervorstellung in Philippas (Sally Hawkins) Leben: „Der böse Buckelige, der seine kindlichen Neffen im Tower hat umbringen lassen“, das ist das gängige Richard-Bild seit dessen Tod und der darauffolgenden Thronübernahme durch die Tudors. Philippa aber meint plötzlich, in ihm einen nachträglich geschmähten Außenseiter zu erkennen, mit dem sie sich identifiziert.
Von da an erscheint der König (Harry Lloyd) Philippa in Gestalt des Schauspielers aus dem Stück auf Parkbänken, Zugfahrten und sogar im Wohnzimmer. Er sieht ihr dabei zu, wie sie sich in ihn hineinsteigert. Manchmal ist er nicht weniger besorgt als Philippas zwei Söhne und ihr Ex-Mann John (Steve Coogan), mit dem sie getrennt erziehend in einem erfrischend erwachsen gezeichneten Verhältnis aus wirtschaftlichen Gründen immer noch zusammenlebt.
Zunächst begibt sich Philippa heimlich zu den Treffen der „Richard III. Society“, verschwindet in Archiven und sucht nach der Greyfriars-Kirche, in der der König begraben sein soll. Als Widerstände auftreten und sich gleichzeitig die reale Möglichkeit bietet, Richard zu finden, realisiert sie, dass sie zur öffentlichen Person geworden ist, mitsamt Unterstützern und Widersachern.
Regisseur Stephen Frears gelingt hier, mit recht wenigen Mitteln, wieder einmal etwas routiniert-hochwertig Englisches. Schauwerte und Charme, Mythos und auch der irritierende Royalismus – immerhin stehen hier Richardisten gegen Tudoristen – werden mittels bestechenden Schauspiels und beschwingter Kamera mit gerade der richtigen Menge Pathos versehen.
Dieses Pathos betrifft dann zweierlei: Für Philippa ist ihre Obsession Sinnstiftung. Gleichzeitig ist es ein Kampf gegen das Establishment von Historikern und Universitätsvorständen, die Philippas Vorschläge nicht ernst nehmen und sich der Grabungsfinanzierung in den Weg stellen. Dieser Kampf ist freilich unbarmherziger gezeichnet, als er in der Realität vonstattenging.
In seiner Restauration des Richards-Bild zieht „The Lost King“ Ideen von Falschnachrichten und Propaganda heran. Wie so oft in solchen Filmen hat die Hauptfigur mit allem Institutionellen, Staatlichen und Etabliert-Akademischen nur Scherereien. Damit zeigt „The Lost King“ wieder einmal, wie sehr das Kino die Außenseiterstorys und die Bedeutung von Ahnungen, Gefühlen und persönlichen Wünschen liebt.