Artikel teilen:

Auf dem Altar endet die Reise

Ein „Adventskoffer“ mit Maria-, Josef- und einer Esel-Figur als Begleiter „wandert“ durch die evangelische Kirchgemeinde Lendringsen immer auf der Suche nach einer neuen Herberge für die kommende Nacht

„Es ist wirklich eine Erfolgsgeschichte“, sagt Pfarrer Matthias Hoffmann über den „Adventskoffer“. In diesem Jahr „wandert“ er bereits zum dritten Mal in Folge durch die evangelische Kirchengemeinde Lendringsen (Kirchenkreis Iserlohn).

Ein Verkündigungsengel brachte sie auf die Idee

Der Adventskoffer, das ist eine Idee von GemeindeSchwester Sabine Jany. Im Jahr 2016 hatte sie von einer Aktion einer Kirchengemeinde im Osten Deutschlands erfahren, die in der Vorweihnachtszeit einen Verkündigungsengel auf die Reise geschickt hatte. Und sie dachte sich: „So etwas Ähnliches könnten wir auch für unsere Kirchengemeinde machen“ – und sie erfand den „Adventskoffer“, der sich seitdem großer Beliebtheit erfreut.
Mit dem Lendringser Adventskoffer werden Maria und Josef – dabei handelt es sich um zwei etwa zwölf Zentimeter große Holzfiguren – auf eine Reise geschickt. Wie in der Weihnachtserzählung aus dem Lukasevangelium auch gehen beide auf Wanderschaft in der Hoffnung auf eine Herberge. Ein hölzerner Esel ist ihr Begleiter.
Jeden Abend klopfen sie an
eine andere Tür und hoffen auf Einlass für ei­ne Nacht. Am nächsten Tag geht es für die beiden und ihren getreuen Vierbeiner weiter. Durch die ganze Adventszeit bis zum Heiligen Abend führt ihre Wanderschaft.
Diejenigen, bei denen Maria und Josef zuletzt Zuflucht gefunden haben, bringen die drei dann in die Christvesper mit, wo sie schließlich ihren Platz auf dem Altar finden.
Die erste Familie, die den Adventskoffer erhält, sucht Sabine Jany immer selbst aus. „Die anderen Familien entscheiden dann selber, wem sie den Koffer geben“, erklärt die GemeindeSchwester.
Und klappt das? Sehr gut sogar, berichtet Pfarrer Hoffmann: „Ich bin immer wieder erstaunt, bei wem der Koffer landet. Sehr viele Leute haben ein gutes Gespür dafür, wer diesen Koffer braucht“, meint der Gemeindepfarrer. Der Koffer geht seine eigenen Wege – und das durchaus auch über die Grenzen der Gemeinde hinaus, berichtet der Lendringser Seelsorger.
Dem Koffer ist auch ein Heft beigelegt, in das die Herbergsmütter und -väter ihre Gedanken zu dieser Advents-Aktion eintragen können. Das Büchlein in die Hand genommen, fällt auf, wie sorgfältig formuliert und ausführlich die Eintragungen sind.
In einem Eintrag, mit dem die Vorweihnachtsaktion am 1. Advent vor zwei Jahren begann, heißt es: „Kindergeburtstagstrubel mit allem, was dazugehört: Gäste, Kuchen, Geschenke… Etwas sollte noch fehlen. Es klingelt an der Tür. Zwei Überraschungsgäste, Maria und Josef mit ihrem Esel, stehen vor der Tür und bitten um Unterkunft. Wir gewähren Einlass und freuen uns, den tollen Tag besinnlich abschließen zu können.“
Für viele ist der unverhoffte Besuch auch eine Gelegenheit, über den Sinn von Advent und Weihnachten nachzudenken. Und so heißt es in einem weiteren Eintrag, in dem es um die ‚richtigen‘ Geschenke und das Schenken geht: „Maria und Josef mit ihrem Esel haben uns beim Einzug in unser Haus gezeigt: Es geht um Liebe und Nächstenliebe. Es geht um Dankbarkeit und auch ein wenig Demut. Und um Familie und Freunde.“
In einem weiteren, hier als Beispiel genannten Eintrag heißt es: „In der Weihnachtszeit kommen andere Gedanken auf als während des restlichen Jahres. Mit wem teile ich meine Zeit? Muss ich eigentlich so vielen vieles rechtmachen? Ist es wirklich wichtig, alle Termine mitzunehmen? Wir freuen uns auf ruhige Feiertage mit der Familie… auf die großen Augen unseres ersten Enkelkindes.“

Andere Kirchengemeinden greifen die Idee auf

Mit dem Adventskoffer hat die Kirchengemeinde eine Form gefunden, auf eine neue Art Begegnung untereinander zu ermöglichen: Menschen, die nicht mehr in die Kirche kommen können, können so am Gemeindeleben weiterhin teilhaben. Außerdem regt die Aktion zum Nachdenken an über die Bedeutung von Advent und Weihnachten.
Das findet Anklang im Kirchenkreis und zieht Kreise unter den GemeindeSchwestern. Und so wird die Idee des Adventskoffers auch in den Kirchengemeinden Oestrich-Drö­schede sowie der Christuskirchengemeinde Iserlohn, in der evangelischen Kirchengemeinde Ergste und in Altena in diesem Jahr zum ersten Mal in die Tat umgesetzt.