Auf Amrum hat die Kirche echte Schäfchen

Rund acht Hektar Heidefläche, die der Kirchengemeinde gehören, werden von einer Herde Schafe kurz gehalten. Das Projekt soll Naturschutz und Tourismus vereinen.

Diese Schafe fühlen sich auf Amrum tierisch wohl
Diese Schafe fühlen sich auf Amrum tierisch wohlCharlotte von Komorski

Nebel. Früh am Morgen, wenn die Amrumer Heide gerade zum Leben erwacht, beginnt für eine kleine, aber gut ausgesuchte Schafherde mitten auf der beliebten Ferieninsel ihr Tagewerk: Eine gehörnte Heidschnucke, mehrere Skudden und Bentheimer Landschafe sowie weitere Tiere knabbern dann zwischen den Nebelschwaden, die von der Nordsee herüberziehen, am Heidekraut, am Gras und jungen Baumtrieben.

Es sind genügsame Rassen, die anders als Deichschafe auch Heidekraut fressen. Zur Verfügung gestellt hat sie Schäferin Janine Jochimsen, die aus Struckum in Nordfriesland kommt und sich bereit erklärt hat, mit der kleinen Herde die Heide zu pflegen. Das ist das Ziel des Projekts, das Charlotte von Komorski geplant und vorangetrieben hat. „Schafe helfen, die Heide zu erhalten“, erläutert die Leiterin des Naturschutzzentrums des Amrumer Vereins.

Was Schafe für die Heide tun

„Ohne die Schafe gäbe es dort bald mehr Bäume – und durch deren Blätter auch mehr Nährstoffe für den Boden. Es würde sich Humus bilden und Gras wachsen; die Heide mag es aber lieber nährstoffarm“, so die Naturschützerin. „Die Schafe verbeißen das Gras und junge Bäume wie etwa die Traubenkirsche. Außerdem treten sie die Moosschichten am Boden auf.“ Alles das trage dazu bei, dass die Kulturlandschaft der Heide bleibt, wie sie ist, erklärt die Insulanerin.

Schäferin Janine Jochimsen mit ihren Schützlingen
Schäferin Janine Jochimsen mit ihren SchützlingenCharlotte von Komorski

Vorab sprach Charlotte von Komorski mit der unteren Naturschutzbehörde des Landkreises sowie den Landeigentümern, ob sie dem Projekt zustimmen. Dazu war auch die Kirchengemeinde Amrum bereit, von deren Landbesitz nun rund acht Hektar Heide­fläche beweidet werden. Nachdem alle Hürden aus dem Weg geräumt waren, konnte Schäferin Jochimsen mit ihrer Herde per Fähre vom Festland auf die Insel übersetzen.

Keine Wölfe, keine Kreuzottern

„Die Schafherde in der Heide ist gut für die Heide und für die Vielfalt der Tiere dort“, sagt Hans-Peter Traulsen. Der Vorsitzende des Kirchengemeinderats spricht von einer „Win-Win-Situation“: „Ich finde es gut, wenn der Naturschutzgedanke und wirtschaft­liche Interessen in Einklang gebracht werden können“, so Traulsen­. Als Verpächter fühle sich die Kirchengemeinde darüber hinaus den heimischen Landwirten partnerschaftlich verbunden – und sei froh, dass es auf der Insel mittlerweile viele Beispiele für zukunftweisendes, ökologisches Handeln gebe.

Die Schafe von Schäferin Jochimsen jedenfalls können sich auf der Insel wohlfühlen – Gefahren etwa durch Wölfe oder Kreuzottern gebe es hier nicht, sagt von Komorski. Sie hat bei dem Projekt natürlich Flora und Fauna der Amrumer Heide, aber auch die Menschen auf der Insel im Blick. „Viele Besucher freuen sich darüber, eine Schafherde zu erleben. Sie sind interessiert und wollen die Tiere kennenlernen“, schildert sie. Allerdings gebe es auch weniger Positives zu berichten: Schon zwei Mal sei mutwillig der Nachtpferch der Schafe geöffnet worden – „vielleicht nur ein Dumme-Jungen-Streich, aber wir wissen es nicht“, so die Naturschützerin. Glücklicherweise sei nichts passiert, in der Folge habe man die Abgrenzung verstärkt.

Im Winter aufs Festland

Bevor die Schafe kamen, wurde gemäht und „geplaggt“, das heißt: ganze Büschel Heide ausgerissen. Was zunächst brachial erscheint, nützt der Landschaft und erhält sie: „Die Samen der Heide sind ja noch in der Erde, aus ihnen entstehen neue Pflanzen“, erklärt Charlotte von Komorski. Die Heide bilde Lebensraum für seltene Tierarten wie etwa die Heidekraut-Glattrücken-Eule, einen Schmetterling, der sich an diesen speziellen Lebensraum angepasst habe.

Maximal bis Ende Oktober soll die Heide noch beweidet werden, und dann geht es für die Schafe rechtzeitig vor dem Winter wieder aufs Festland zurück. Diese Saison hat Jochimsen die Arbeit ehrenamtlich geleistet – die Leiterin des Naturschutzzentrums will sich nun dafür einsetzen, dass die Schäferin im kommenden Jahr, wenn sie mit ihrer Herde wieder auf die Insel kommt, eine gewisse Anerkennung für ihre Arbeit auf der Nordseeinsel erhält.