Auch im Krieg feiert Bethlehem die Geburt Christi

Bethlehem trägt Trauer. Die Krippenfiguren auf dem Manger Square sind dunkelgrau, das Kind in weißes Leinen gehüllt, zwischen Trümmern und Stacheldraht, wie in einer Kriegs- und Flüchtlingsszene von Gaza.

Inmitten dieser Stimmung haben die Christen in Bethlehem am Sonntagabend das Weihnachtsfest in Erinnerung an die Geburt des Friedensbringers Jesus Christus vor 2.000 Jahren gefeiert. Still, in bescheidenem Rahmen, ohne Prunk, helle Lichter und laute Musik, aber mit einer deutlichen Botschaft von Liebe und Versöhnung.

Trotz mancher Kritik wollten die Christen auf das liturgische Fest in Jesu Geburtsstadt im Westjordanland nicht verzichten. Und der Lateinische Patriarch Kardinal Pierbattista Pizzaballa, der die Christmette in der Katharienkirche neben der Geburtskirche leitete, nutzte die in alle Welt verbreitete Feier zu einem eindringlichen Appell für ein Ende des Blutvergießens, zu einem Schutz von Zivilisten, insbesondere von Kindern und für eine gerechte Lösung des Nahostkonflikts.

Aber in Bethlehem herrschte diesmal nicht nur Trauer, die Stadt war auch leer und einsam. Wegen der Abriegelung der Westbank und der weltweiten Reisewarnung waren zum Weihnachtsfest kaum Besucher gekommen. Die in normalen Zeiten umlagerten Geschäfte mit Souvenirs, Ikonen und Holzschnitzarbeiten sind geschlossen, viele Bewohner sind in einer prekären wirtschaftlichen Lage. Das trifft insbesondere das knappe Drittel Christen, die mehrheitlich vom Tourismus abhängig sind.

Um Weihnachten auch in Kriegszeiten zu feiern „müssen wir alle Gesten der Brüderlichkeit, des Friedens, des Willkommens, der Vergebung und der Versöhnung vervielfachen“, sagte Pizzaballa. „Wir laufen Gefahr, diesen von Christus eröffneten Weg zwischen den zerstörten Straßen, zwischen den Trümmern des Krieges, zwischen den verlassenen Häusern zu verlieren“. Notwendig sei ein „Ja zum Guten, ein Ja zum Frieden, ein Ja zum Dialog, ein Ja zu den anderen.“ Selbst unter den dramatischen Umständen des Krieges finde Gott einen Ort für sein Weihnachten, für seine Botschaft der Versöhnung und Erlösung für die Welt. „Gott kann auch in härtesten Herzen Raum schaffen.“

Eindringlich forderte der Patriarch in seiner Predigt ein Ende des Gaza-Kriegs, eine Wiederaufnahme des Dialogs und eine Lösung für das palästinensische Volk. Ein Waffenstillstand ist noch nicht Frieden, mahnte er. Er appellierte an die Mächtigen der Nationen, gerechte und endgültige Lösungen für die Völker des Nahen Ostens zu finden. In der „Tragödie dieses Augenblicks“ bleibe keine Zeit mehr, sich auf kurzfristiges Taktieren oder theoretische Spekulationen zu beschränken, sagte er.

Dabei hatte er nicht nur eine Seite im Blick. „Meine Gedanken sind ohne Unterschied bei allen, Palästinensern und Israelis, bei allen, die von diesem Krieg betroffen sind, bei denen, die trauern und weinen und auf ein Zeichen der Nähe und Wärme warten.“ Und insbesondere wandte er sich an Gaza mit seinen zwei Millionen Einwohnern und den gerade 1.000 Christen, sprach ihnen Hoffnung zu und bewunderte ihren Mut. Zugleich appellierte er an alle Kirchen der Welt, „nicht nur das Weihnachtsgeheimnis von Bethlehem zu betrachten, sondern uns auch in diesem tragischen Krieg zu unterstützen“.

So wie es vor 2.000 Jahren für die Heilige Familie in Bethlehem „keinen Platz für sie gab“, so scheine es auch für die Menschen in Gaza derzeit keinen sicheren Ort zu geben, – nicht nur physisch, sondern auch nicht in den Köpfen derer, die über das Schicksal der Menschen entscheiden.

Anders als in früheren Jahren nahm Palästinenserpräsident Mahmud Abbas aufgrund von Verpflichtungen in der Kriegssituation diesmal nicht an der Zeremonie teil, er entsandte aber eine große Delegation. Der Patriarch äußerte sich dabei grundsätzlich zur Lage des palästinensischen Volkes, das bereits allzu lange in einer solchen Situation lebe. Obwohl im eigenen Land, höre es ständig, „es gibt für sie keinen Platz“. Seit Jahrzehnten warte es darauf, dass die internationale Gemeinschaft Lösungen findet, um die Besatzung und ihre Folgen zu beenden.

Der Patriarch war am Mittag des Heiligabend in Bethlehem eingetroffen und hatte bei regnerischem Wetter den Weg durch die Stadt zur 1.500 Jahre alten Geburtskirche zu Fuß zurückgelegt. Begleitet wurde er vom vatikanischen Sozialminister Kardinal Konrad Krajewski, den der Papst als seinen Friedensgesandten über Weihnachten ins Heilige Land geschickt hatte. Er wolle, wie er gegenüber Journalisten betonte, Sozialstationen im Heiligen Land besuchen, mit den Menschen sprechen und dann den Papst über die Lage informieren. Vor Ort wolle er „beten, schweigen und beten“.