Asyldebatte verschärft sich – Bootsunglück im Ärmelkanal

Ab Montag sollen an allen deutschen Landesgrenzen verschärfte Kontrollen durchgeführt werden. Ein Ziel laut Innenministerin Faeser: die “irreguläre Migration” eindämmen. Kritiker haben nicht nur daran Zweifel.

Unmittelbar vor dem Start der erweiterten Kontrollen an allen deutschen Landesgrenzen verschärft sich die Debatte über die Asylpolitik in Europa. In der “Bild am Sonntag” verteidigte Bundesinnenministerin Nancy Faeser die für zunächst sechs Monate geplante Maßnahme gegen Kritik aus dem In- und Ausland. Deutschland unternehme keine Alleingänge, die den Zusammenhalt in Europa zerstörten.

Mit den am Montag startenden Kontrollen wolle man “die irreguläre Migration weiter zurückdrängen, Schleuser stoppen, Kriminellen das Handwerk legen, Islamisten erkennen und aufhalten”, fügte Faeser hinzu. Bereits zuvor wurden solche Kontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien, Österreich und der Schweiz und zeitweilig auch an der deutsch-französischen Grenze durchgeführt.

Er erwarte am Jahresende von der Bundesregierung “eine ehrliche Bilanz, ob die von ihr ergriffenen Maßnahmen die Zahl von irregulär einreisenden Migranten merklich reduziert”, sagte CDU-Chef Friedrich Merz der “Bild am Sonntag”. “Nur Zurückweisungen an unseren Grenzen hätten sofort einen Effekt.” Am Dienstag war ein Treffen zwischen Regierung, der Union als größter Oppositionspartei und Landesregierungen zur Migrationspolitik gescheitert.

Die Vorstöße aus Deutschland sind umstritten, weil sie nach Ansicht von Kritikern mit europäischem Recht kollidieren. Im sogenannten Schengen-Raum, dem 25 der 27 EU-Mitgliedsländer angehören, sind Kontrollen an den Binnengrenzen nur bei besonderen Bedrohungslagen zulässig. Auch für Zurückweisungen an den Grenzen gibt es Vorgaben. So dürfen Menschen, die einen Asylantrag stellen wollen, nach den Regeln des Dublin-Abkommens nicht ohne ein entsprechendes Verfahren zurückgeschickt werden.

Fraglich scheint auch, ob beziehungsweise in welchem Umfang Deutschlands Nachbarländer zurückgewiesene Flüchtlinge wieder aufnehmen. “Österreich wird keine Personen entgegennehmen, die aus Deutschland zurückgewiesen werden”, zitierten etwa die Zeitungen der Funke Mediengruppe am Wochenende den österreichischen Innenminister Gerhard Karner.

Die jüngste Debatte hatte nach dem mutmaßlich islamistischen Messerangriff von Solingen vor drei Wochen an Fahrt aufgenommen. Am Montagnachmittag steht das Thema auch auf der Tagesordnung des Europaparlaments in Straßburg. “Solingen muss ein Weckruf über Deutschland hinaus sein, die illegale Migration schneller und mit deutlich mehr Härte zu bekämpfen”, forderte der Chef der Europäischen Volkspartei (EVP) und CSU-Vize Manfred Weber in der “Bild am Sonntag”.

Experten wie der österreichische Migrationsforscher Gerald Knaus zeigten sich unterdessen skeptisch, ob Grenzkontrollen im Schengenraum die Zahl der Asylanträge in Deutschland reduzieren können. In Österreich oder Frankreich gebe es trotz verstärkter Kontrollen mehr Asylanträge und nicht weniger, sagte Knaus dem rbb. Er schlug stattdessen vor die die Bearbeitung von wenig aussichtsreichen Asylanträgen in Deutschland zu beschleunigen. Außerdem müsse man auf die Transitländer – wie etwa die Türkei – zugehen und mit diesen Vereinbarungen treffen.

Irritiert über den Umgang mit den Themen Asyl und Migration zeigte sich der Münchner Kardinal Reinhard Marx. “Die Vorstellung einer in sich geschlossenen ‘Festung Europa’, auch einer ‘Festung Deutschland’, in allen Dimensionen ist nicht zukunftsfähig”, so der ehemalige Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz in der “tageszeitung” (Wochenende).

Neben Marx äußerten sich in der “taz” unter der Überschrift “Mein Deutschland bleibt offen” 31 weitere Prominente zu den laufenden Diskussionen über den Umgang mit Flüchtlingen und Migration. “Grenzen vor Schutzsuchenden zu schließen, verletzt historisch hart erkämpfte Grundrechte – und stellt unsere eigenen Werte, unsere Menschlichkeit in Frage”, betont die Direktorin der in Frankfurt ansässigen Bildungsstätte Anne Frank, Deborah Schnabel.

Unterdessen sorgte am Wochenende ein Schiffsunglück im Ärmelkanal für Schlagzeilen. Bei dem Versuch, von Frankreich nach Großbritannien überzusetzen, starben acht Migranten von insgesamt 59 Personen, die sich an Bord des Schiffes befanden.