Arzt: Impf-Waffenruhe in Gaza lässt auf weitere Feuerpausen hoffen
Eine geplante Waffenruhe im Gaza-Streifen zur Impfung der Kinder gegen Polio macht dem Epidemiologen Oliver Razum zufolge Hoffnung auf weitere humanitäre Feuerpausen. „Vielleicht kann diese Not dazu beitragen, einen politischen Durchbruch zu erzielen, der sonst in weiter Ferne zu sein scheint“, sagte der Spezialist für Öffentliche Gesundheit und Dekan der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld dem Evangelischen Pressedienst (epd). Darauf hofften Beschäftigte des öffentlichen Gesundheitswesens in Palästina, Israel und auch international.
Denn in der Vergangenheit habe israelisches und palästinensisches Gesundheitspersonal im Gaza-Streifen zusammengearbeitet, so auch bei der Immunisierung gegen Polio, sagte Razum, der im Netzwerk gesundheitswissenschaftlicher Fakultäten „Aspher“ die „Taskforce zu Krieg und Public Health“ leitet und Kontakt zu Gesundheitspersonal beider Seiten hat. „Das war schon immer schwierig, weil der Gaza-Streifen mehr oder weniger abgeschnitten war, aber es hat jahrzehntelange Tradition.“
Nun sei es für die israelischen Fachkräfte jedoch noch schwieriger. „Der große Teil ist gegen diesen Krieg, gegen diese Regierung von Premier Benjamin Netanjahu und versucht verzweifelt zu argumentieren, dass das aufhören muss.“ Sie müssten nun also betonen, dass die Impfkampagne den Kindern unter den israelischen Geiseln in der Gewalt der Hamas ebenfalls nutze, auch wenn es in erster Linie um die palästinensischen Kinder gehe.
Nach der ersten Polio-Erkrankung im Gaza-Streifen seit 25 Jahren will die Weltgesundheitsorganisation 640.000 Kinder unter zehn Jahren impfen. Probleme dabei sind Razum zufolge, dass der Impfstoff gekühlt werden muss und eine einmalige Impfung nicht ausreicht. „Je schlechter die hygienischen Verhältnisse sind, desto häufiger müssen Kinder geimpft werden, damit ein sicherer Schutz eintritt.“ Zumal das Vakzin bei Mangelernährung und einem schlechten Immunsystem manchmal keinen Effekt habe.
Laut den Vereinten Nationen hat Israel täglichen stundenweisen Feuerpausen ab Sonntag für die Immunisierung zugestimmt. Das sei auf jeden Fall begrüßenswert, sagte Razum. Denn Polio sei hochansteckend, und auch wenn nur ein kleiner Teil der Infizierten Symptome wie Lähmungen aufweise, hielten die für den Rest des Lebens an und führten in manchen Fällen zum Tod. Aber neben Polio breiteten sich weitere Krankheiten aus wie Durchfallerkrankungen, die bei Mangelernährung schwer verlaufen können. „Die katastrophale gesundheitliche Situation der Zivilbevölkerung in Gaza zeigt die Dringlichkeit eines Waffenstillstandes.“