Arte zeigt Sozialdrama um Totengräber am Horn von Afrika

Totengräber Guled lebt mit seiner Familie in Dschibuti-Stadt. Um Geld für eine lebensrettende OP seiner nierenkranken Frau aufzutreiben, muss er in sein Heimatdorf zurückkehren. Ein Arte-Film.

Sind ein Team: Guled (Omar Abdi, vo.li.) und Nasra (Yasmin Warsame, vo.re.)
Sind ein Team: Guled (Omar Abdi, vo.li.) und Nasra (Yasmin Warsame, vo.re.)Lasse Lecklin/Twenty Twenty Vision/ZDF/ARTE

Guled und seine Arbeitskollegen arbeiten am Horn von Afrika als Totengräber. Mit einem einfachen Spaten schaufeln sie rechteckige Löcher in den harten, geröllartigen Boden, in dem bald jemand bestattet wird. Der Job ist hart, eintönig und schlecht bezahlt. Arte zeigt den Film “The Gravedigger’s Wife” am Freitag, 23. August, um 21.10 Uhr.

Für Guled, der mit seiner Kleinfamilie in einem Slum in Dschibuti-Stadt lebt, reicht das Geld kaum zum Leben. Manchmal, wenn es keine Toten zum Begraben gibt, verrichtet Guled andere Jobs als Tagelöhner, indem er für wohlhabende Städterinnen Gepäck schleppt. Sein zwölfjähriger Sohn Mahad respektiere ihn nicht, weil er arm ist, mutmaßt der Vater, und macht sich Vorwürfe. Mahad schwänzt die Schule, hängt mit Freunden ab und macht, was er will.

Sorgen um Gesundheitszustand seiner Frau Nasra

Am meisten Sorgen macht dem 45-jährigen Guled jedoch der Gesundheitszustand seiner Frau Nasra. Die lebenslustige und -weise Frau, die sich nicht so schnell unterkriegen lässt, hat ein schweres Nierenleiden. Als die von der Ärztin verschriebenen Antibiotika nicht anschlagen, wird ihre Krankheit lebensgefährlich. Damit sie gerettet werden kann, benötigt sie nicht nur eine Spenderniere, sondern auch eine OP, und diese kostet 5.000 Dollar – eine unvorstellbare Summe für Guled. Er beschließt, sich in sein Heimatdorf aufzumachen, um dort von seiner Familie sein Erbe einzuklagen.

Das Problem an Guleds Vorhaben: Er liegt mit seiner Familie im Clinch, seit er vor mehr zwei Jahrzehnten gemeinsam mit Nasra aus dem Dorf geflüchtet ist, um sie vor einer Zwangsheirat mit einem alten, fremden Mann zu bewahren.

Totengräber Guled und seine nierenkranke Frau Nasra
Totengräber Guled und seine nierenkranke Frau NasraLasse Lecklin/Twenty Twenty Vision/ZDF/ARTE

Diese familiären Verwicklungen rollt das Sozialdrama erst allmählich auf. Zunächst macht Nasra nur Anspielungen auf ihre angeblich “furchtbare” Schwiegermutter. Doch später im Film hat das Publikum selbst Gelegenheit, sich eine Meinung über diese Figur zu bilden.

Seine originelle Narration offenbart der Film auch bei der Geschichte des Kennenlernens von Guled und Nasra. Sie wird in einer Parallelmontage erzählt: Zum einen schildert sie Nasra ihrem Sohn, zum anderen Guled an einem Lagerfeuer anderen Wanderern, als er auf dem Weg in sein Dorf ist.

Film erzählt unaufgeregt von dem Teufelskreis der Armut

In Dialogen offenbart sich auch, was die Beschreibung des kargen Lebens im Slum nicht leisten kann: Sowohl Nasra als auch Guled sind Analphabeten, so dass selbst ein unmotivierter Schüler wie Mahad den beiden in Sachen Bildung weit überlegen ist. So erzählt der Film unaufgeregt von dem Teufelskreis der Armut, in dem die Kleinfamilie gefangen ist. Ohne Bildung keine besseren Jobs, aber Bildung ist für Guled aus Zeit- und Geldmangel nicht erreichbar.

Dabei tappt das Drama jedoch nicht in die Falle des Voyeurismus. Die Armut wird weder romantisiert noch ausgeschlachtet. Regisseur Khadar Ayderus Ahmed, der aus Somalia stammt und als 16-jähriger Flüchtling nach Finnland kam, zeigt das ärmliche Leben der Kleinfamilie im Slum durch alltägliche Verrichtungen im Haushalt.

Zusammenhalt und Fürsorge der Nachbarn

Aber auch für den Zusammenhalt und die Fürsorge der Nachbarn untereinander findet er überzeugende Bilder. Außerdem schildert er den Wandel des Sohnes Mahad. Um die Mutter zu unterstützen, bessert dieser mit kleinen Jobs wie dem Waschen von Autowindschutzscheiben die Familienkasse auf. Abends kocht der angehende Teenager für seine geschwächte Mutter.

Zudem führt das mit Geldern aus Finnland, Frankreich und Deutschland finanzierte Regiedebüt vor, wie sich das Paar trotz materieller und gesundheitlicher Sorgen seinen Lebensmut bewahrt – und auch Momente von Unbeschwertheit erlebt: So schmuggelt sich Nasra mit ihrem Mann auf eine Hochzeit, indem sie vorgibt, dem Brautpaar, das sie nicht kennt, eine Ziege als Geschenk mitzubringen, die sie zuvor von einem weiteren Unbekannten ausgeliehen hatte. Dann feiern beide ausgelassen auf dem Fest – bis Nasra vor Erschöpfung wieder zusammenbricht.

Der Regisseur zeigt landesspezifische Sitten und Lebensweisen

Dennoch entsteht für Nicht-Eingeweihte ein Einblick in das gesellschaftliche und soziale Gefüge eines Landes, von dem die meisten Menschen in Europa nur wenig wissen. Der Regisseur zeigt landesspezifische Sitten und Lebensweisen; er skizziert das Stadt-Land-Gefälle in Dschibuti sowie den Widerstand von Teilen der Bevölkerung gegen als überholt empfundene Bräuche.

Andere Episoden sind wiederum so anrührend wie universell: Ein junger Totengräber traut sich nicht, eine Frau anzusprechen, die ihm gefällt. Guled hilft ihm dabei und bekommt zum Dank dafür ein Geschenk des Jüngeren, das ihm zwar nur wenig weiterhilft, aber für kurze Zeit sein Herz erwärmt.

Arte zeigt “The Gravedigger’s Wife” am Freitag,  23. August, um 23.10 Uhr