Die deutsch-schweizer Akrobatin Silke Pan sitzt nach einem schweren Unfall querschnittsgelähmt im Rollstuhl. Inzwischen tritt sie wieder in der Manege auf. Eine Arte-Doku hat sie auf ihrem anstrengenden Weg begleitet.
Die deutsch-schweizerische Akrobatin Silke Pan stürzte im Jahr 2007 bei einer Trapeznummer ab, überlebte knapp und verbrachte Jahre in Reha-Institutionen, bis sie ihren Alltag wieder weitgehend selbstständig bewältigen konnte. Noch immer ist die querschnittsgelähmte Artistin auf den Rollstuhl angewiesen. Aber sie hat sich zurück in die Manege gekämpft, wie die intensive Arte-Dokumentation “Silke – Ein Leben im Balance-Akt” am 14. Mai ab 22.50 Uhr zeigt.
Didier, ihr Mann und Partner, war und ist dabei ihre größte Stütze. Er war auch zumindest teilweise für den Unfall mitverantwortlich. Doch das Thema Schuldgefühle oder deren Bewältigung spielt weder in der Beziehung der beiden noch in dem Film eine große Rolle. Didier meint dazu, er habe die Schuldgefühle verdrängt, weil es so viel anderes zu tun gab, was wichtiger war. Beide sind sich einig darin, dass der Unfall ihre Liebe zueinander noch verstärkt hat.
Sobald sie sich in ihrem neuen Leben eingerichtet hatte, begann Silke Pan eine neue Karriere als Parasportlerin: im Handbike-Fahren. Seit 2012 errang Silke zahlreiche Titel, auch in internationalen Wettkämpfen. Doch ihre wahre Liebe gehört der Akrobatik. So hart, wie sie an ihrer Karriere als Parasportlerin arbeitete, so hart arbeitet sie nun gemeinsam mit Didier daran, endlich wieder als Artistin zu arbeiten – als Handstand-Akrobatin. Der Dokumentarfilm von Coline Confort erzählt von Silkes Leben als Sportlerin und von ihrem Weg zurück auf die Showbühne.
Der Film handelt vom harten Leben einer Frau, die trotz ihres Schicksals Akrobatin geblieben ist und immer bleiben wird. Silke Pan ist nur äußerlich eine zarte Person; im Inneren arbeitet sie unerbittlich an sich selbst. Mit höchster Disziplin bewältigt sie ihren Alltag. Silkes größte Herausforderung sind die ständigen Schmerzen und die schlaflosen Nächte, in denen ihre gelähmten Beine unkontrolliert zucken. Tag und Nacht wird sie von Kopfschmerzen und Muskelkrämpfen heimgesucht.
Doch Problemen wie dieen widmet Silke Pan höchstens ein paar Nebensätze. Ihr Leben besteht vor allem aus Trainingseinheiten, die sie – immer in Didiers Begleitung – bewältigt. Sie quält sich, sie tobt sich aus. Das Handbike habe ihr geholfen, sich wieder lebendig zu fühlen, sagt sie. Sie konnte ihren neuen Körper nicht ertragen, konnte seine Signale nicht erkennen. Den Muskelkater hingegen betrachtet sie als positiven Schmerz. “Leiden auf meine Art”, sagt sie.
Aus der Akrobatin wurde eine Sportlerin, die mit Ehrgeiz und eisernem Willen an einer neuen Karriere arbeitet. Sie ist dabei sehr erfolgreich, sammelt Titel und Pokale, doch sie ist nicht mit dem Herzen dabei. Silke entschließt sich, das Handbike-Fahren aufzugeben. Sie will wieder Artistin werden. Und Didier unterstützt sie dabei, so wie er sie immer unterstützt.
Dieser Frau zuzusehen, ist in gewisser Weise faszinierend. Sie behält ihr Geheimnis, oder anders gesagt: Coline Confort lässt zu, dass sie ihre Geheimnisse wahren kann. Silke Pan gestattet keine Gefühlsduselei. Und Confort respektiert sie in allem, was sie sagt und tut, aber auch in dem, was sie auslässt. Es gibt kaum private Szenen.
Training, Training, Training – da ist kaum Platz für Entspannung oder für so etwas wie Poesie, die aber dennoch ein Teil von Silkes Persönlichkeit zu sein scheint, auch wenn sie das nicht unmittelbar zugibt. Denn die Artistik ist eine Kunst, eine sehr poetische Kunst, wie am Schluss zu sehen ist, wenn Silke ihren ersten Auftritt als gelähmte Akrobatin hat, während ein ziemlich aufgeregter Didier hinter den Kulissen zuschaut. Nun endlich wirkt Silke locker, gelöst trotz der Anstrengung – viel weniger verbissen als beim Sport.
Coline Conforts Film, in dem Silke Pan oft selbst zu Wort kommt, fängt ihre komplexe Persönlichkeit ein, aber dabei fehlt ein wenig der Funke, der zum Publikum überspringt. Vielleicht liegt das daran, dass der Film einen recht langen Zeitraum umfasst und dabei einiges redundant wirkt. Oder es sind die fehlenden Bilder aus dem Privatleben, vom Zusammensein mit Freundinnen und Freunden oder mit der Familie.
Doch es sind auch fesselnde Aufnahmen aus der Zeit vor ihrem Unfall zu sehen, Bilder von Sportevents und immer wieder Trainingssequenzen, denen gelegentlich ein Herzschlagrhythmus unterlegt ist, und dieses Herzklopfen hat etwas Magisches. Es geht voran, sagen die Bilder und die Töne.