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Arte-Doku als Hommage an Ridley Scotts Meisterwerk “Thelma & Louise”

Die konservative Filmkritik war nicht begeistert, als Ridley Scott Anfang der 1990er Jahre Frauen in Western-Manier über die Leinwand marodieren ließ. Eine Doku beleuchtet Entstehung und Rezeption von “Thelma & Louise”.

Zwei Frauen mischen die Männerwelt auf, lustvoll und zugleich tragisch. Mit “Thelma & Louise” gelang Ridley Scott 1991 nach dem Drehbuch von Callie Khouri ein Kultfilm über weibliche Freundschaft. In ihrer Kulturdokumentation, die Arte am Sonntag direkt nach dem Film zeigt, schauen die beiden Französinnen Leni Merat und Joséphine Petit zurück auf die Entstehungsgeschichte dieses feministischen Westerns, der damals Maßstäbe setzte.

Aber um welche Maßstäbe ging es eigentlich? Um zu überprüfen, ob ein Film den Mindeststandard hinsichtlich der Darstellung von Frauen erfüllt, genügen dem “Bechdel-Test” – benannt nach der US-Comiczeichnerin und Autorin Alison Bechdel – drei einfache Fragen: Gibt es mehr als einen weiblichen Charakter? Haben diese überhaupt einen Namen? Und sprechen diese Frauen über etwas anderes als einen Mann? Obwohl man diesen Test in seiner Simplifizierung nicht allzu ernst nehmen sollte, hat er schon eine gewisse Aussagekraft. “Thelma & Louise” zählt jedenfalls zu den wenigen Hollywood-Produktionen, die ihn glänzend bestanden.

Entsprechend lange und mühevoll, so erinnert sich die spätere Oscarpreisträgerin Callie Khouri, musste sie für ihr Erstlings-Drehbuch Klinken putzen. Ein Film über zwei Frauen, die aus ihrem Alltag ausbrechen? Die unterwegs einen Mann erschießen, weil er eine von ihnen zu vergewaltigen versuchte? Und die daraufhin als Gesetzlose gejagt werden – und zwar durch eine mythische Landschaft, die sich dank der ikonischen Western von John Ford in die Köpfe der Kinozuschauer eingebrannt hatte? An einem solchen Thema hatten die großen Studios zu Beginn der 1990er Jahre kein Interesse.

Das änderte sich zumindest teilweise, als Ridley Scott sich für das Projekt zu interessieren begann. Der Brite, der mit “Alien” zuvor schon das Sci-Fi-Genre neu definiert hatte, spürte wohl, dass die von Geena Davis und Susan Sarandon gespielten Frauen auch so etwas wie Außerirdische verkörperten – zumindest im Hinblick auf den konventionellen Hollywood-Kosmos.

Ein solcher Rückblick auf einen Meilenstein der Filmgeschichte ist gewiss ein reizvolles Thema. Viele derartige Dokus sind allerdings eher mittelmäßig oder zuweilen unterdurchschnittlich und schmiegen sich nicht selten ziemlich eng an den Zeitgeist an.

“Thelma & Louise – ein feministischer Western” sollte in diesem Reigen eigentlich ein Selbstläufer sein und offene Türen einrennen. Schließlich geht es in dem Roadmovie unter anderem um #MeToo – lange bevor dieser Begriff überhaupt geprägt wurde. Über weite Strecken arbeiten die beiden Autorinnen sich geradlinig an den zahlreichen Feinheiten des Drehbuchs ab, das sich einen Spaß daraus macht, die Rollen so umzukehren, dass Frauen zu Heldinnen werden, die einen bösen Mann in den Kofferraum sperren (wo er zu weinen beginnt), derweil ein blendend aussehender Junge als Toy Boy auf dem Rücksitz ihres Wagens Platz nehmen darf.

Die beiden Hauptdarstellerinnen Geena Davis und Susan Sarandon kommen in zahlreichen Interviews zu Wort, die sie damals nach dem Überraschungserfolg des Films gaben. Vor der Kamera erinnern sich weitere Zeitzeugen an die Dreharbeiten. Diesen Blick zurück, der mit Ausschnitten illustriert wird, garnieren die beiden Autorinnen mit amüsanten Anekdoten. So soll sich seinerzeit ein gewisser George Clooney fürchterlich darüber geärgert haben, dass ihn Brad Pitt beim Vorsprechen zu “Thelma & Louise” ausgestochen hat. Aufschlussreich sind zudem kulturgeschichtliche Streifzüge durch die frühen 1990er Jahre, in denen dieser Film, der seiner Zeit weit voraus war, von der konservativen Kinokritik als “toxischer Feminismus” missverstanden wurde.

Im Bemühen, “Thelma & Louise” gegen blutrünstige Materialschlachten zu verteidigen, versteigen sich die beiden Autorinnen aber zuweilen leider auch. So rechnen sie überflüssigerweise jene wenigen toten Männer, die am Wegrand von Thelma und Louise zurückbleiben, gegen Hunderte Opfer auf, die beispielsweise im kurz zuvor gestarteten “Stirb Langsam 2” und in anderen Actionfilmen ihr Leben lassen mussten.

Auch die Off-Kommentare sind zuweilen nicht so ganz stilsicher: So heißt es am Ende der Doku, als es um die ikonische Szene geht, in der die beiden Frauen mit ihrem Cabrio über den Rand der Klippe rasen: “Thelma und Louise sind aus der für sie zu eng gewordenen Welt hinausgeflogen. Ihre komplizenhaften Blicke, ihr selbstbewusstes Lächeln in der Nacht, ermutigen auch uns, unseren Flug anzutreten und die Freiheit zu genießen, wir selbst zu sein”. Stilblüten dieser Art trüben den Rückblick. Von diesen Einschränkungen abgesehen, ist “Thelma & Louise – ein feministischer Western” aber durchaus kurzweilig.